Wegwerf-Helden!

„Regrettable Superheroes“ auf dem Müllhaufen der Comicgeschichte entdeckt

 

Jon Morris: „The League of Regrettable Superheroes“ (bei Quirk Books, 2015, 260 Seiten)


Das ist genau mein Buch. Das hätte ICH eigentlich schreiben müssen! Aber ich bringe es nicht fertig, Superheldencomics zu lesen…
Das hat für mich Jon Morris getan – und sich durch offenbar TAUSENDE Comichefte der Jahre 1938 bis 1993 gewühlt. Seine Leidenschaft sind die Eintagsfliegen unter den Supermenschen.

Ich persönlich (nicht umsonst der „Comic-Snob“!) rümpfe meine Nase über eklatanten Unfug wie SPIDER-MAN, die X-MEN oder die FANTASTIC FOUR. Solche Helden aber sind harmlos – im Vergleich zu den echten Groteskerien, die das Comicbusiness im Laufe von über 70 Supergeschäftsjahren hervorgebracht hat. Ausgewürgt hat, möchte ich sagen!

Totgeburten wie CAPTAIN TRUTH, KANGAROO MAN, RAINBOW BOY, GUNMASTER, POW-GIRL, THE FERRET oder THUNDERBUNNY. Die Comic-Historie ist reichlich gesegnet mit verzweifelten Versuchen, aus dem Setzkasten der Superkräfte originelle Helden zu konstruieren. Manchmal geraten diese Kreaturen dann ZU originell. Originell im Sinne von bizarr, skurril und aberwitzig.

Morris traf letztendlich eine Auswahl und versammelt nun 100 „Bedauernswerte“ in seinem herrlichen Häppchenschmöker (jeder Eintrag erhält in der Regel nur zwei Seiten, manchmal sind es auch drei). Ich habe großen Spaß, vor dem Einschlafen noch schnell eine Portion Wahnsinn zu schnuppern – man lernt dabei auch eine Menge über Comicgeschichte!

Dass es 20 Jahre vor Spider-Man eine SPIDER-QUEEN gab, die in drei Heften des Jahres 1941 („The Eagle“ von Fox) auftauchte. Shannon Kane kann aus speziell gefertigten Armreifen Spinnenfäden verschießen und sich daran von Hausdächern schwingen! Klingt bekannt?

Oder dass Harry G. Peter, der Illustrator von WONDER WOMAN, wenige Monate vor seinem Hit einen absurden Helden namens MAN O‘ METAL schuf? Durch nichts wird erklärt, weshalb Pat Dempsey sich augenblicklich zu einem flammendheißen Metallmenschen verwandelt. Jedenfalls geschieht ihm dies, nachdem (!) er durch Explosionen, Geschosse oder Stromstöße sozusagen „entzündet“ wird. Herrje.

Oder dass Jerry Siegel und Joe Shuster nach ihrem SUPERMAN große Hoffnungen in FUNNYMAN setzten? Bei der Vermarktung dieses neuen Helden würden sie sich nicht über den Tisch ziehen lassen! Pustekuchen!

Oder dass Comiclegende Neal Adams auf SKATEMAN verfiel. Ein Kampfsportler auf Rollschuhen, der gegen eine Bande böser Rocker antritt. Erlebte nur ein einziges Abenteuer, 1983 bei Pacific Comics erschienen.

SKATEMAN wurde auch schon von der wundervollen Webseite „Stupid Comics“ aufs Korn genommen. Wer sich anhand einiger Beispielseiten durch dieses Debüt klicken möchte, rufe bitte folgende Seite im Internet auf.

Abschließend sei erwähnt, dass Autor Morris den Blog „Gone and Forgotten betreibt, der intelligent und amüsant über Randphänomene von Superheldencomics berichtet.