Tillmann schaut:  STAR TREK – PICARD

„Opa muss nochmal ran!“, lautet die Kurzbeschreibung dieser Serie – und ob das alles glaubwürdig ist und wie es funktioniert, sei hintangestellt, denn erst mal darf ich mich über mich selber wundern.

Mensch, da lobe ich schwarz auf weiß (schon wieder) die nächste neue Trek-Serie. Dabei bin ich alles andere als ein „Trekkie“ – vielleicht liegt es aber auch genau daran!
STAR TREK – DISCOVERY  fand ich schon toll, jetzt hatte ich meine Freude an der frischen Parallelserie STAR TREK – PICARD.

Tillmann schaut: STAR TREK – DISCOVERY

Zunächst gilt festzuhalten, dass PICARD eine Nostalgie bedient, der sich DISCOVERY verweigert (obwohl letztere Serie im Trek-Universum ganz zu Anfang spielt).

PICARD spielt hingegen im Jahr 2399 und ist damit ganz weit „vorn“. Dennoch greifen wir mit der Hauptfigur Jean-Luc Picard zurück auf die zweite Serie STAR TREK – NEXT GENERATION.

Admiral Picard ist seit 14 Jahren im Ruhestand (nicht ganz freiwillig, wie wir bald erfahren) und hat sich auf ein Weingut in Frankreich zurückgezogen. Abgeschnitten von seinem vorherigen Leben, langweilt er sich.

Ennui unter Rebstöcken: Privatier Picard mopst sich in seinem Rentnerdasein.

 

Eine junge Frau taucht hilfesuchend bei ihm auf: Dhaj wird von einem Killerkommando verfolgt und eine innere Vision hat sie auf das Weingut geführt. Auch Picard ist überrascht von dem Besuch, denn er erkennt in Dhaj die Tochter seines verstorbenen Freundes, Commander Data.
So fantastisch es scheint: Dhaj ist eine künstliche Lebensform, eine Androidin (obwohl Androiden seit 14 Jahren nicht mehr existieren dürfen).
Denn vor 14 Jahren haben amoklaufende Androiden eine Marskolonie zerstört, was indirekt zu Picards Ausscheiden aus der Sternenflotte geführt hat.

Picard und Dhaj/Soji.

Tragischerweise hat ein zweites Killerkommando mehr Erfolg und tötet Dhaj vor Picards Augen.
Der aber stellt Ermittlungen an, deckt die Verstrickung der Romulaner in den Mord auf und erfährt bei Dr. Agnes Jurati im Forschungslabor der Sternenflotte, dass Dhaj wahrscheinlich eine Zwillingsschwester namens Soji hat.

Picard macht sich auf die Socken, Opa dreht also wieder auf, er sucht sich auf eigene Faust ein Schiff und eine Crew, um Soji vor dem romulanischen Geheimdienst zu retten. So beginnt die Krieger-Quest über zehn Episoden, in der der alte Recke sein junges Mündel vor den Mächten der Finsternis beschützen muss.

Er rekrutiert die ehemalige Navigatorin Raffi (die hat ein Drogenproblem), er findet den kernigen, freiberuflichen Captain Rios (die Han-Solo-Figur, die ihre Arbeit auf fünf Hologramme von ihm selber verteilt), er packt Dr. Jurati ein (die noch nie im Weltraum war, unser „fish out of water“), er lässt sich von dem Ninja Elnor beschützen (für den er eine Vaterfigur ist).

Die Crew auf der Brücke: Dr. Jurati, Captain Rios, Picard, Raffi.

 

En route gelangen sie auf einen inaktiven Borg-Cube, wo noch Seven of Nine zum Team stößt. Das alles natürlich für den reinen Schauwert, denn von dort aus geht es transwarp-hurtig auf einen fernen Planeten, wo Androiden ein Tentakelmonster aus einer Parallelwelt herunterbeschwören wollen (hier hatte ich ein „Hellboy“-Feeling, sonst noch jemand?).

Ich merke bei der Niederschrift, dass die Handlung schon in Kurzform verquast klingt. Jaja, schon gut.

Mehr Ensemble: Picard mit Seven of Nine und Elnor. Picards schräges Outfit dient einem Undercover-Einsatz als Menschenhändler.

 

Auch sämtliche Kritiker (habe nur Männer darüber reden hören, auch ein Problem) machen sich tüchtig über alle Schwächen lustig (dazu unten mehr), aber beim Sehen ist es mir nicht so aufgestoßen. STAR TREK – PICARD kam mir liebevoll inszeniert, gut strukturiert und empathisch erzählt vor.
Außerdem hat es mir Freude bereitet: Es gibt ein bisschen Mystery, ein bisschen Klamauk, ein bisschen Krimi, ein bisschen Western, viel Wiedererkennungs-Effekte und tüchtig Action, jawohl.

Auch das klingt nach einer schrecklichen Soße, mich hat es nicht gestört. Ich finde, es wird durch gute Dialoge und kurzweilige, teils selbstironische Interaktion zwischen den Charakteren aufgefangen.

Natürlich ist es alles Mumpitz – aber das ist die eingepreiste Prämisse von Science Fiction!

Captain Rios im Multitasking: Touchscreens bedienen und dabei eine gute Zigarre kauen.

 

Vorsicht, Plot-Schlaglöcher!

 

Damit komme ich jetzt doch zu den Aspekten, die mir ein Fragezeichen bereitet haben. Allzu viel nachdenken darf man nicht über gewisse Dinge, aber das gilt ja oft für Serien generell.

Was mir bei der Erstbetrachtung schon in den Sinn kam: Wie zum Fuchs haben es die Romulaner denn bitte geschafft, die künstlichen Lebensformen (sie nennen sie „Synths“), die Androiden auf der Marskolonie, unter ihre Kontrolle zu bekommen?
(Und wenn sie schon die Fähigkeit dazu hatten, wieso haben sie diese nicht anders eingesetzt – zum Guten beispielsweise oder wenigstens zur Erlangung der romulanischen Herrschaft?)

William Riker lebt auf einem abgelegenen Planeten im Ruhestand (als Hobby-Pizzabäcker!) und taucht im Finale als Admiral und Hauptstratege der gesamten Sternenflotte auf?
(Ich wäre auch gerne eingesprungen als flotter Flottillenführer, wieso hat mich keiner angerufen, grmmmblll.)

Am Ende (Spoiler!) stirbt Picard, aber sein Bewusstsein wird in einen synthetischen Golem transferiert. Er steht wieder auf und macht weiter (zweite Staffel lockt), aber weshalb hat man ihn im genau gleichen Körper, in genau gleichem Alter wiederhergestellt?
(Er hätte ein junger Bodybuilding-Schwarzenegger mit Picardschen Gehirn sein können oder wenigstens aussehen wie Brad Pitt. Wahrscheinlich hat sich Patrick Stewart vertraglich zusichern lassen, dass Picard nur wie Patrick Stewart ausschauen darf.)

Dr. Jurati begeht einen Mord, der im Folgenden nicht nur verjährt, sondern völlig wurscht gewesen zu sein scheint. Das Opfer war mitnichten ein Bösewicht, aber Jurati irgendwie von den Romulanern dazu gedrängelt worden. Aus der Ferne. Mental. Jurati reut es ein wenig, und damit Schwamm drüber!
(Nicht in Ordnung eigentlich.)

„Achtung, Kurt Martin, die Macht greift ganz sacht hin“: Dr. Jurati bekommt einen „Mind Meld“ von der bösen Commodorette Oh verpasst und wird damit gewissermaßen gehirngewaschen – Ist das ein Grund, später einen Menschen umzubringen?

 

Okay, all diese oben angeführten Punkte sind fragwürdig, verderben mir aber trotzdem nicht meine Freude. Denn ansonsten machen sie vieles richtig.

Unternehmen „Feelgood“

 

STAR TREK – PICARD ist die Serie, die eigentlich die Herzen der Altfans erwärmen müsste. Wir bekommen nicht nur Picard, sondern auch William Riker, Data und Deanna Troi serviert. In schön getimten, wundervollen Gastauftritten.

Halt: Sagen wir sicherheitshalber, STAR TREK – PICARD erwärmt mein Herz, der ich kein Altfan bin, sondern als ein Gelegenheits-Gucker diese Figuren bloß wiedererkenne und nicht in sie „investiert“ habe. Das Problem einer jeden Fortsetzung ist ja, dass Menschen einem künstlerischen Stoff Bedeutung verleihen, und zwar eine subjektive, die bestenfalls auf ihr Leben ausstrahlt.

Da es mir schnurz ist (ich erwähnte es bei DISCOVERY), welche Uniformen sie anhaben oder wie die Romulaner aussehen oder welche Zeitlinie bedient wird, kann ich wie ein „Newbie“ auf PICARD blicken. Mir gefiel, was ich dort sah.

Die bösen Romulaner vom Geheimdienst: Space-Romeo Narek und seine grausame Schwester Narissa.

 

Hervorzuheben ist, dass PICARD von einem neuen Kreativteam um Michael Chabon, Akiva Goldsman, Alex Kurtzman und Kirsten Beyer erdacht und geschrieben wurde.

Chabon übrigens gilt als comicaffin und hat im Jahr 2000 einen Schlüsselroman zur US-Comicindustrie der 1940er-Jahre verfasst: „Die unglaublichen Abenteuer von Kavalier und Clay“.

Der Kölner Zeichner Rudolph Perez (ZEBRA-Comicmagazin) hat einen Index dazu verfasst, der den Roman entschlüsselt. Den kriegen Sie bei Rudolph am Stand auf der Kölner Comicmesse, wenn es denn noch Messen geben würde (kann zudem sein, dass das Heft ausverkauft ist). Egal. Führt zu weit.

Auch Goldsman hatte seine Finger schon in einigen Comicprojekten (Batman-Filme, die Hellblazer-Verfilmung „Constantine“, „The Losers“ und „Jonah Hex“), Kurtzman hatte mit Spider-Man und „Alias“ zu tun und Beyer schreibt die „Star Trek: Discovery“-Comics.

Commander Data kommt auch drin vor, wenn auch nur in Picards Halluzinationen.

 

STAR TREK – PICARD ist die Feelgood-Trekserie, die den Humanismus der Anfangstage wieder nach vorne kehrt. Es geht um Begegnungen, das zwischenmenschliche Einlassen aufeinander und das Lernen voneinander.
(Natürlich in einem modernen Look und mit Action! Mich wundert, dass Rezensenten sich offenbar in die lahmarschigen Achtzigerjahre zurücksehnen.)

Allein Folge 7 („Nepenthe“), in der Picard und Soji auf Besuch bei Riker, Troi und deren Tochter Kestra kommen, ist bezeichnend für den „spirit“ der Serie. Die flüchtigen Picard und Soji gönnen sich eine Atempause bei Familie Riker: Die alte Crew frotzelt liebevoll miteinander und Tochter Kestra gewinnt mit ihrer neugierigen Offenheit die Freundschaft Sojis. Ich fand das herzig und sympathisch, weil es nämlich mit Ironie geskriptet ist.

Dieser „group hug“ zwischen Riker, Picard und Troi ist symbolisch für die ganze Serie!

 

Ich weiß, dass ich mich mit diesem Artikel endgültig als Trek-Ignorant oute, aber es gibt auch Menschen da draußen, die einen frischen Ansatz oder meinetwegen auch eine blasphemische Travestie honorieren! Es hat mich unterhalten.

Wir zeigen hier den deutschen Trailer (und es wiederholt, dass die meisten Kritiker-Kerle PICARD nicht mochten). Nach dem Trailer dazu noch Material!

Der Vlogger mit dem Namen „The Critical Drinker“ nimmt die Serie in einer Viertelstunde auseinander, dazu nimmt er die Pose eines besoffen schimpfenden Filmkritikers ein:

Ich stimme mit keinem dieser Kritikpunkte überein, denn dieser Mensch lässt sich nicht auf das neue Konzept ein, sondern beharrt auf vorgefertigten Meinungen und Ansichten, wie eine (Trek-)Serie zu sein habe.
Mir kommt der „Drinker“ inkompetent vor und sein latent frauenfeindliches Gemecker ahmt zudem noch die Erfolgsmasche von „Mr. Plinkett“ nach, der fiktiven Dumpfbacken-Kritikerfigur der wirklich genialen Leute von RedLetterMedia. Dann doch gleich das Original: