Roald Dahls „Hexen hexen“ (im Original „The Witches“) ist ein Kinderbuch von 1983. Es wurde 1990 von Nicolas Roeg verfilmt und mit Puppentricks von Jim Henson realisiert.
30 Jahre später kommt nun eine Neufassung in die Kinos, inszeniert von Komödien-Altmeister Robert Zemeckis („Zurück in die Zukunft“, „Falsches Spiel mit Roger Rabbitt“).
Schnell zur Handlung: Ein Junge und seine Oma können Hexen erkennen und geraten während eines Ferienaufenthalts in einem Hotel in einen dort stattfindenden Hexenkongress. Die Hexen beschließen, alle Kinder weltweit mittels eines Zaubertranks in Mäuse zu verwandeln. Sie demonstrieren das effektvoll an dem Jungen, der in eine Maus verwandelt wird. Der Junge und ein ebenfalls „mausifizierter“ Freund können den Hexen ihren eigenen Trank verabreichen und vereiteln somit Schlimmeres.
Den alten Film hatte ich auf DVD greifbar und mir vorbereitend angeschaut. Ich mochte den mal, war aber nun entsetzt über das schlechte Timing, die grotesken Hexenkostüme und die krude inszenierte Komik, die sich in überlauten und hysterisierten Szenen niederschlägt.
Regisseur Roeg (dessen einzig nennenswerter Film der ikonische „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ von 1973 ist) hat ein Händchen für unheimliche Unterströmungen und sexuell aufgeladene Bilder, aber ich behaupte, es fehlt im jedes Gespür für Komödie.
„Hexen hexen“ (1990) ist ein schräges Werk, das sicherlich Kinder erschrecken kann, aber es bleibt der schale Geschmack zurück, dass der Film völlig unbalanciert wirkt.
Wer mag, sehe sich den Trailer von 1990 an:
Ich hatte mich wirklich (zumal nach dem unguten Eindruck des Roeg-Originals) auf „Hexen hexen“ (2020) gefreut: Robert Zemeckis an der Regie! Guillermo del Toro im Produzententeam! Die machen was Frisches draus!
Doch es ist leider nur ein modernisierter Aufguss geworden …
Schockiert war ich, wie minutiös der neue Film auf den alten einschwenkt, sobald die Hauptfiguren das Hotel betreten. Ab jetzt stellt Zemeckis fast Szene für Szene den alten Film nach: vom Dekor angefangen über die Dialoge bis hin zu den Charakterskizzen.
Weiterhin muss ich sagen, dass mir die erratische Figur des Hotelmanagers (ein Nobelstatist, der nichts zur Handlung beiträgt) dann doch im Original besser gefällt. So gut Stanley Tucci ist, die rein physische Verschrobenheit von Rowan Atkinson kann er nicht toppen.
Und so wie der Stoff angelegt ist, braucht diese Rolle einen „physical player“, der durch bloße Präsenz wirkt.
Vielleicht komme ich hier dem Grundproblem von „Hexen hexen“ näher, in beiden Fassungen. Eigentlich braucht jede Rolle nur physische Präsenz (was Anjelica Huston und Anne Hathaway ja auch leisten), doch gerade die Hexen sind reine Schießbudenfiguren.
Autor Dahl konzentriert sich ausschließlich auf seine Oberhexe, was in einem (Vor-)Lesebuch funktioniert, in einem Film aber unglaublich schade und verschenkt ist. Wir sehen ganz viele interessante Nebenhexen, die jedoch zur Stummheit und zum Füllen des Bildausschnitts verdammt sind.
Im 90er-Original gibt es immerhin eine „Assistenzhexe“, die am Ende überlebt und noch eine Funktion bekommt! Das Remake fokussiert komplett auf Anne Hathaway, die Befehle erteilt.
Das mag jetzt naiv klingen, aber mir fehlt eine Interaktion zwischen den Hexen. Wieso schildert man uns die nicht näher – bei kleinen Ritualen, Rivalitäten oder einem Ausflug ans Meer?
Vergleichen Sie nun bitte mit dem Trailer von 2020:
Wer weiter in die Materie eindringen möchte, kann hier weiterklicken:
Dieser YouTube-Clip listet haarklein alle Unterschiede zwischen alter und neuer Version in Filmausschnitten:
(Achtung, diese Ausschnitte spoilern die kompletten Handlungen!)
Erwähnt sei zudem, dass in Kommentaren und Rankings die alte Version fast unisono als die bessere gewertet wird!
Mir bleibt ein Generalverdacht, dass die Vorlage von Dahl nicht wirklich Stoff für 90 Filmminuten hergibt. Beide Versionen haben „Längen“ und schlagen ein Tempo an, das als betulich bezeichnet werden darf.
Das finde ich heute unverzeihlicher als damals. Es gibt Minuten, da werden Sie sich im Sessel langweilen: Da laufen die Mäuse, da klettern sie, da verwandeln sich die Hexen eine nach der anderen. Alles sehr voraussehbar und ohne Überraschungen.
Ich denke gerade darüber nach, was meine Lieblingsszene war: Anne Hathaway, die Oberhexe, greift in einen Lüftungsschacht, um die Mäuse dort herauszufischen. Die Mäuse laufen in den Schacht hinein, die Hexe kann ihre Arme magisch immer länger und länger werden lassen.
Auch diese Szene könnte knackiger sein, aber der Effekt ist gerechtfertigt und logisch, sieht außerdem cool aus, weil die Arme schief wie Äste immer weitersprießen.
Denselben Trick (die langen Arme) benutzt die Oberhexe im Finale noch einmal gegen die Oma. Die steht ihr aber bloß in einem Zimmer gegenüber, ein Bett zwischen ihnen. Hier ist der Einsatz dieses Mittels meiner Meinung nach komplett falsch (und dient einzig dazu, Zeit zu schinden).
Die Oma steht nur da, die Hexe lässt ihre Arme auf sie zuwachsen, sie quatschen eine Weile, weil unterdes die Mäuse unter dem Bett zwei Mausefallen auf die Füße der Hexe zuschieben, um sie anzugreifen. Totaler Blödsinn!
Die Hexe hat in vorherigen Szenen bewiesen, dass sie a) levitieren und b) tödliche Blitze aus den Händen schleudern kann. Wieso nutzt sie jetzt ausgerechnet die langen Arme, die die schlechteste Option eines Angriffs darstellen?
So was ärgert mich, tut mir leid.
Die Crux in beiden Versionen aber liegt darin, dass beide Filme nur Schwarz und Weiß kennen und präsentieren. Gut gegen Böse, nirgendwo hinterfragt. Niemand hat offenbar realisiert, dass ein Kinderbuch anders funktioniert als ein Film.
„Hexen hexen“ muss man in der Visualisierung aufbrechen und anfüttern mit lebendigen, hinzuerfundenen Szenen – anstatt brachial auf die Pauke zu hauen und sich auf drei Actionszenen zu beschränken (Hexenversammlung, Mauswerdung der Hexen, Showdown mit der Oberhexe).
Wie ginge es denn anders?
Da kommt ein Comic ins Spiel. Nach beiden Filmen wollte ich mir eine grafische Visualisierung zu Gemüte geführt – und war sehr gespannt, was mich hier wohl erwarten würde. HEXEN HEXEN von Pénélope Bagieu bei Reprodukt, leider Gottes hat mich die Lieferung desselben noch nicht erreicht. Hole ich nächste Woche nach!
Daher überbrücken wir die Zeit mit einem Filmtipp à la „Hexen hexen“: Gab es da nicht mal einen wirklich coolen und lustigen Mäusefilm? Schon vergessen ist Gore Verbinskys „Mäusejagd“ von 1997, hier der Trailer: