Das „Shining“-Scheinding: SPA

Freut mich immer, einen ollen MAD-Filmparodie-Titel einzubringen!
Das Erholungshotel in Erik Svetofts SPA ist jedoch alles andere als ein menschenleeres Spukhaus – es ist eine überbuchte Gruselherberge, in der uns alles Mögliche über den Weg läuft: ein Erholung suchendes Ehepaar, eine frisch eingestellte Reinigungskraft, fünf Teilnehmer eines Kongresses, der Hoteldirektor und seine Personalchefin, die Rezeptionistin, ein Schutzgeld-Erpresserduo, ein Promi-Gast mit Platin-Status, der von allen geschnittene Masseur, ein sich ständig in den Fluren verlaufender Gast sowie der geschmähte Küchenchef.

Und dann sind da noch die Geister? Spukgestalten? Zombies? Totemtiere? Kobolde? Feen?
Eine Menge weiterer Akteure, die meist wort- und sprachlos auftauchen. Mal sind sie passiv, mal greifen sie ins Geschehen ein.
Dieses gesamte Personal lässt Autor und Zeichner Svetoft munter durcheinander wuseln und versteht es dabei, jeder seiner Figuren eine Entwicklung durchmachen zu lassen.

Das ist unser Paar, das sich in etlichen Ehejahren erschreckend ähnlich geworden scheint. Bildarrangement und Sprache von SPA sind durchdrungen von einer lakonischen Haltung. Svetofts Figuren glotzen immer den Leser an und entlassen uns damit nicht aus dem Bann dieser eigentümlich emotionslosen Gesichter.

Realitycheck, please!


Bald fragt man sich, was überhaupt real in dieser Geschichte sein kann. Offenbar gibt es dieses Spa-Resort und auch diese Menschen, aber welche Bedeutung hat die schmutzige Flüssigkeit, die durch Flure und Wände sickert? Nur ein „Wasserschaden“, wie die Leitung des Hauses beschwichtigt?
Oder doch Vorbote der Apokalypse? Seuchenträger? Ektoplasma mythischer Tierwesen?

Solche Bilder präsentiert uns Svetoft und lässt uns dann alleine damit. Da folgt keine Auflösung. Das erinnert an japanischen Horror eines Junji Ito oder Hideshi Hino.

Dinge brechen in dieses Leben ein, die nicht erklärt werden und nicht erklärbar sind. Ich bin kein Fan dieses Konzepts von Horror, kann bei SPA aber damit leben, weil ich einen unterschwelligen schwarzen Humor am Werk sehe, der sehr wohl westlichen Traditionen entspricht.
So gibt es zum Beispiel eine klischeehaft-dumme Rückblende in die Jugend des Hoteldirektors und seine Erinnerung an dessen strengen Vater.

Als das Hotel in die Krise steuert, tritt der Vater überraschend und gottgleich wieder auf – nur um auf den folgenden Seiten direkt böse abserviert zu werden. Dummes Timing, aber lustig.

So scheucht uns SPA amüsant durch seine Ideen und seine Figuren durch die Anwendungen, die oft auch stupide bebildert werden. Bäder, Massagen, Sauna – es könnten auch die Kreise der Hölle sein, in denen unsere Sünder gefangen sind.

Das Personal schuftet wie Sisyphus gegen unendlichen Dreck und beleidigende Beschwerden an; und wird von der Direktion noch dazu mit skurrilen „Teambuilding-Maßnahmen“ gedemütigt:

Fantastische Einschübe sind nicht nur verstörende Einzelbilder, die kommentarlos in die Erzählung geflochten werden, sondern auch der Auftritt zweier slapstickartig agierender Haustechniker, die mehr Schaden anrichten als beheben sowie ein Trio seltsamer Zauberzwerge, die jedoch nur der Hoteldirektor durch die Bilder an den Wänden geistern sieht.

(Am Ende erscheinen sie noch dem verirrten Gast, der zwischenzeitlich mit einer Harpune im Bauch herumläuft, weil er vom Personal mit einem Bad-Ungeheuer verwechselt wurde.)

Realitycheck zwecklos


Meine Beschreibungen lassen erahnen, dass in SPA nichts greifbar ist. Ich habe das Gefühl, dass sich Svetoft massiv auf Ikonografien der Kunstgeschichte und Popkultur beruft. Manche seiner Tableaus und Panels evozieren unbewusst bekannte Bilder aus Malerei und Fotografie. Ganz sicher auch hat er tüchtig PR-Material der Tourismusbranche verfremdet.

Bei der Lektüre lassen sich gewiss mehr Filme oder Serien entdecken, die hier lustvoll zitiert werden. „Poltergeist“ werfe ich noch in den Topf, „Invasion der Körperfresser“? Viel modernes Zeug, was ich nicht mehr kenne. 

Das Ende erlaubt die Interpretation, dass dieses Spa-Resort eine Jenseits-Maschine ist, eine Nekropolis, betrieben von dunklen Mächten außerhalb unserer Vorstellung. Aber freundlich und bemüht, der Service tut sein Bestes!

Was Svetoft uns mit seiner schrulligen Graphic Novel sagen will?
Die Erholungsindustrie verurteilen? Die Schere zwischen Arm und Reich anprangern?
Den Mensch in seinem Freizeitwahn karikieren?
„Das alles und noch viel mehr …“ tät er machen, wenn er König des Spa-Lands wär.

Vielleicht will er uns aber nur eine lange Nase drehen – wie in dieser Dekonstruktion einer Glücksspielrunde:

Der Versuch, cool auszusehen


Assoziativer Nonsens ist SPA jedoch mitnichten. Ich erwähnte bereits die Menge an Figuren, die Svetoft durchaus im Auge behält. Daher betrachten wir noch schnell das Ehepaar, das den Comic eröffnet und auch beschließt.

Auf den beiden (ich kann nicht mal sagen, ob es sich um Mann und Frau oder zwei Frauen handelt) lastet der Fluch, tote Menschen in ihrer Umgebung wahrzunehmen. In einer gespenstischen, traumhaften Szene scheinen sie Sex zu haben (oder auch nicht), scheinen sie zu Mumien zu werden (oder auch nicht) und scheinen sie in eine andere Welt abberufen zu werden (oder auch nicht).

Später treffen wir sie in ungewohntem Ambiente wieder. Ihr Personal kündet einen seltsamen Gast an, der unser Pärchen durch einen finalen Check-out geleitet. Von der einen Welt geht es hinüber in die andere, dann in die nächste … oder?

Ich habe keinen Schimmer, was Erik Svetoft mir da alles unterjubelt – aber er hat mich unterhalten und erfreut. Sein frecher Pseudofunny ist originell umgesetzt, erfrischend bizarr und lässt mich immer weiter blättern und grübeln.

Der Wiener „luftschacht“-Verlag präsentiert nur hin und wieder eine ausgesuchte Graphic Novel. SPA ist dort eine schöne Ergänzung im Programm.

Falls Ihre Augen Erholung vom Lesen brauchen, bieten wir Ihnen einen samtweichem Video-Kurzclip an. Genießen Sie doch einen Cocktail dazu! Kollege kommt gleich.