Jetzt im Kino: BLACK ADAM

Ich fordere den Oscar. Im Ernst. Und zwar den Oscar für Art Direction (bestes Szenenbild). BLACK ADAM ist im Nahen Osten verortet – und was die Produktionsdesigner hier gezaubert haben, hat mich zwei Stunden lang staunen lassen.
Die quirlige Metropole Shiruta mit ihrer faszinierenden Architektur aus Alt und Neu ist eine erfrischende Abwechslung zum Einerlei westlicher Großstädte und wird brillant in Szene gesetzt.

Dorthinein implementieren die Filmemacher ihr US-amerikanisches Supermenschen-Märchen aus dem DC-Universum. Das ist natürlich Quatsch (wie sie samt und sonders Quatsch sind), doch wenn Sie diese Prämisse mit einem Lachen akzeptieren können, werden Sie in einen Film hineingezogen, der unterhaltsam sein kann. 

Der Quatsch geht im Falle von BLACK ADAM wie folgt:
Die Hochkultur von Kahndaq (assyrisch-sumerisch konnotiert) ging zugrunde am ausbeuterischen König Akh-Ton, der sein Volk für das Schürfen des sagenhaften Bodenschatzes Eternium versklavte.
Gegen ihn erhob sich der Arbeiterführer Teth-Adam (Dwayne Johnson), der sich zum „Champion“ des Volks entwickelte und von Magiern zum gottgleichen Krieger „Black Adam“ verzaubert wurde. In einem durch Rachedurst ausgelösten Amoklauf zerstörte er Kahndaq und wurde in einem Fels eingeschlossen, wo er seit 5.000 Jahren ruht.

Sprung in die Gegenwart: Kahndaq ist zum Drittweltland herabgesunken, seine Bodenschätze werden heute ausgebeutet vom paramilitärisch auftretenden Industriekonzern „Intergang“ – Sie erkennen die Parallelen.

Eine antike Reliquie, eine Krone aus Eternium, droht den modernen Ausbeutern in die Hände zu fallen. Die Historikerin und Widerstandskämpferin Adrianna (Sarah Shahi) möchte diesen Schatz in Sicherheit bringen, unterstützt durch ihren Bruder Karim und den Kollegen Ishmael – sowie ihren tapferen Sohn Amon.

Adrianna sucht Beistand bei Dr. Fate (Pierce Brosnan)

Ein Feuergefecht mit Intergang wächst sich zur veritablen Schlacht aus, als im Felsversteck Black Adam wieder zum Leben erweckt wird. Der Champion von Kahndaq ist zurück, denkt jedoch zunächst nur daran, alle Eindringlinge zu vernichten.

Nun schickt Amanda Waller die Justice Society los, um Black Adam unschädlich und dingfest zu machen. Im Folgenden beginnen beide Parteien, voneinander zu lernen und sich letztendlich zu respektieren.
Eingebaut ist auch die Origin- und Backstory von Black Adam, parallelisiert mit der Mutter-Sohn-Beziehung von Adrianna und Amon.

Die Justice Society tritt auf als vierköpfiges Team, übrigens komponiert aus je zwei Mitgliedern der ursprünglichen Mannschaft von 1940 (Hawkman, Dr. Fate) und der JSA-AllStars-Neuauflage von 2009 (Cyclone, Atom Smasher).

Auf die Spannweite kommt es an: Hawkman

Wen’s interessiert, der studiere gerne die verwirrende Geschichte der Justice Society of America, natürlich nicht zu verwechseln mit der Justice League of America. Die hatten vor fünf Jahren einen eigenen Film!

Schwebe-Teilchen

Ach, ich hab die Helden (plus Heldin) noch nicht vorgestellt, typisch ich. Ich kann diese Vögel einfach nicht ernst nehmen, sie sind auch völlig austauschbar. Statt Hawkman, Dr. Fate, Atom Smasher und Cyclone hätte es auch Green Arrow, The Phantom Stranger, Blue Beetle und Black Canary sein können.
Oder suchen Sie sich ein Quartett aus dieser Liste von Supermenschen, praktisch kategorisiert nach Ethnizitäten, Handicaps, Kindern und Tieren!

Vollkommen schnurz! Was zählt ist, dass die Ausgewählten eine dramaturgische Funktion erfüllen. Dr. Fate (Pierce Brosnan) ist der väterliche Typ mit übersinnlichen Fähigkeiten. Hawkman (Aldis Hodge) ist der grimmige Tatenmensch mit Kampferfahrung. Cyclone (Quintessa Swindel) ist das Angebot für das weibliche Publikum, wortwörtlich ein Wirbelwind. Atom Smasher (Noah Centineo) besorgt die Identifikation für die Jungs im Saal, die gerne stark sind und viel futtern.

Atom Smasher im Einsatz beim Zerlegen von Atomen

Die beiden Letztgenannten sind zudem noch jung und dürfen die „Newbie“-Rolle ausleben, nie verkehrt für einen Genrefilm, das bringt Humor ins Spiel, eine frische Perspektive und außerdem kann man sich fragen, ob da auch romantisch angebändelt wird …

Das ist der BLACK-ADAM-Cocktail, das Schirmchen darauf ist seine zwiespältige Hauptfigur. Die übrigens fast ständig in der Luft steht. Dort schwebt, fliegt und herumsaust. Die Superkraft des Schwebens ist die arschklar albernste von allen und schaut im Realfilm immer irgendwie dämlich aus. Komm doch mal runter, Alter!

Auch er ist „ready for lift-off“: Dr. Fate schwebt Black Adam entgegen

Ehe ich noch ein paar Worte verliere, schauen Sie doch einen Clip an: Dieser deutsche Trailer fasst die Handlung griffig zusammen und zeigt auch etwas vom großartigen Set Design:

BLACK ADAM macht gehörig Alarm, das soll er ja auch – und er tut das, ohne mir auf die Nerven zu gehen. Vergleichbare Filme ärgern oder langweilen mich, weil sie ihre Balance verlieren oder nie eine finden konnten.
Hier jedoch funktionieren die enormen Schauwerte, ohne mir zu viel zu werden. Momente des „comic relief“ und des „human drama“ halten das Werk auf einem guten Niveau, auch wenn diese mit dem Formelbuch geskriptet sind. Was sich bewährt hat, kann man ja fortführen.

Gut, in der letzten halben Stunde überdrehen sie leider die Schraube, weil sie noch König Akh-Ton als Dämonengott Sabbac auferstehen lassen (die Krone muss ja noch zu ihrem dramaturgischen Recht kommen!). Das führt zu viel Feuerspuckerei, noch mehr Gekloppe und dem laschem Auftritt einer uninspirierten Zombie-Horde.

Mein Sabbac, dein Sabbac … Sabbac ist für Hawkman da!

Und während Sie hoffentlich bemerken, dass wir den Urplot im dritten Aufguss serviert bekommen (1: Akh-Ton / Sklaverei; 2: Intergang / Ausbeutung; 3: Sabbac / Apokalypse), fragen Sie sich vielleicht: Hey, wo ist sie hin, die bis eben noch alles bestimmende Intergang?!

Der Untergang der Intergang

Sind die fiesen Söldner eingangs schon von Black Adam ausradiert worden? Nein, sie zeigten weiterhin Präsenz in der City und haben tüchtig beim Diebstahl der Krone geholfen! Als jedoch Sabbac sich erhob, haben sie sich offenbar leise, still und heimlich verpieselt.
Oder hat Sabbac sie zu seinen Zombies mutieren lassen? Wäre eine Lesart, wird aber im Dunkeln gelassen.

So wird der politische Aspekt von BLACK ADAM glatt verschenkt,  denn er stand zu Beginn auf der Agenda: Adrianna nämlich konfrontiert die eintreffende Justice Society mit der Frage, wo sie all die Jahrzehnte gesteckt hätten. Ihr Volk sei ausgebeutet worden, was niemanden bislang interessiert habe. Aber nun, wo eine Superbedrohung in Gestalt von Black Adam auftauche, da stünden die feinen Helden auf der Matte, um sich groß aufzuspielen.

Rhetorische Frage, natürlich, und ein Rückverweis auf den GREEN-LANTERN-Moment von 1971, als ein schwarzer Mann Green Lantern vorwirft, sich niemals um die Belange der afroamerikanischen Bevölkerung gekümmert zu haben.
Ich präsentiere hier die Szene im Comic, der Vulture-Blog vertieft den historischen Moment (wer mag, klicke dort).

Damals wie heute also ein reiner Oho-Effekt (das Pendant des empörten „Kabarett-Lachers“). Getan haben sie weiterhin nix, die Supermenschen. Es gibt ja Spannenderes zu tun, wie eben Dämonen zu vertrimmen, den Joker zu fangen oder Lex Luthor aufzuhalten.

Wer mehr über gesellschaftliche Relevanz bei DC-Figuren lesen möchte, studiere meinen Beitrag „Superhelden im Sozialeinsatz“, eine Betrachtung der GREEN LANTERN/ GREEN ARROW-Comic der frühen 1970er-Jahre.

BLACK ADAM übrigens, um noch mehr Comichistorie anzuschneiden, war in den 1940er-Jahren bei Fawcett Comics als Bösewicht für die MARVEL FAMILY  von Zeichner C. C. Beck ersonnen worden. Nachdem DC Comics wieder begann, CAPTAIN-MARVEL-Geschichten unter dem Titel SHAZAM zu veröffentlichen, wurde Black Adam als wiederkehrender Feind in die Geschichten eingebunden.
Black Adam war ein böser, altägyptischer Vorgänger von Captain Marvel, der ihm in die Neuzeit gefolgt war, um den Helden herauszufordern.

Jetzt isses Dwayne „The Rock“ Johnson, der Champion von Kahndaq, der im nächsten Film antreten wird gegen einen mächtigen Superhelden (so lässt der Nachspann vermuten). Der Mann war schließlich mal Wrestler – und ich schließe mit einer weiteren Forderung:

Fusioniert das DC-Universum mit dem World-Wrestling-Entertainment-Franchise! Da hat man das Gekloppe schon institutionalisiert. Es braucht auch weniger Art Direction, sondern bloß einen Boxring und viel gröliges Publikum. Spart Handlung, spart Geld. Macht Stimmung. Lasset die Spiele beginnen:

„RoyalRumble“ mit Huntress vs. Lightning, „WrestleMania“ mit Bizarro vs. Flex Mentallo oder „SmackDown“ mit Lobo vs. Deadman. Ich mein ja nur.