Das neue Programm (ich weiß gar nicht, das wievielte!) heißt „Populisten haften für ihre Kinder“ und sei hiermit heiß empfohlen.
Onkel Fisch stehen seit 25 Jahren gemeinsam auf der Bühne und sind damit womöglich Deutschland dienstältestes Comedy-/Kabarett-Duo.
(Auch schon ewig als Paarnummer laufen KABARETT A-Z, FALTSCH WAGONI und CHAOSTHEATER OROPAX. Merken Sie was? Die haben alle so kranke Namen! Hihihi.)
Onkel Fisch sind Markus Riedinger und Adrian Engels und sind wie gesagt unzertrennlich, enorm kreativ (Tausende Radiosketche und hier kommt die Zahl: 17, verdammt nochmal, siebzehn Bühnenprogramme!) und sind seit einigen Jahren der Geheimtipp für frisches Kabarett.
Zu Beginn hat Onkel Fisch absurdes Theater gemacht (ich hab’s gesehen), dann folgte eine zwiespältige Übergangsphase der Mainstream-Comedy (war in den späten Neunzigern der heiße Scheiß), dann haben sie ihre sehr eigene, prächtige Comedy entwickelt.
Die Nische zog leider vor einigen Jahren auch nicht mehr – und Onkel Fisch mussten sich wieder einmal neu erfinden.
Als Kabarettduo mit den Mitteln der Comedy (Sketche, Songeinlagen, physical comedy).
Doch davon mehr im Interview …
Lieber Onkelfisch, meine Lieblingsnummer ist die nach der Pause.
Adrian führt Markus (der den AfD-Wähler „Ronny“ spielt) an der Hundeleine und versucht ihn, im Publikum zu vermitteln („AfD-Wähler suchen ein Zuhause“). So ein herrlich verrückter Transfer gesellschaftlicher Phänomene auf unterhaltungsmediale Phänomene! Wie lange habt ihr für die Idee gebraucht?
Adrian: Für die Idee brauchst du nicht lange, du hast die Idee und weißt: Ja, das funktioniert.
Markus: Da haben wir gar nicht wirklich dran rumgeschrieben, es war gleich klar:
Einer darf den Hund spielen, der andere muss leider den Stichwortgeber machen (lacht)!
Die Witze-Ebene ist so klar, dass die Leute es lieben werden, wenn du einen halbwegs guten Hund hinbekommst. Die Gags dazu fallen einem schnell ein: Ronny ist ein Wachhund, er ist ein ‚Golden Naiver‘ usw. … das macht auch enorm Spaß.
Adrian: Natürlich ist es wichtig, die Nummer dramaturgisch gut aufzubauen und nicht zu lang werden zu lassen. Wir bereiten sie ja auch visuell geschickt vor: Ich komme zuerst alleine mit der Hundeleine auf die Bühne und baue eine Erwartungshaltung auf, eine Vorfreude.
Die Idee war sofort da? Ihr habt nicht gegrübelt: Wie verulken wir die Wähler der AfD?
Adrian: Einer von uns warf den Begriff „Wähler suchen ein Zuhause“ in den Raum und der andere wusste, einer spielt einen Hund, das war es schon. Das wird eine Supernummer.
Markus: Das Schöne ist, dass wir dafür fast nichts brauchen. Wenn Adrian sagt „Herzlich willkommen zu ‚Wähler suchen ein Zuhause‘“, ist der Marker gesetzt.
Die Leute kennen die Serie und haben gewisse Bilder schon im Kopf. Und ich als Hund brauche kein Kostüm, keine Ohren, keine Schnauze …
Adrian: Obwohl wir trotzdem noch drüber nachdenken – muss der noch einen Hut aufkriegen oder so was (beide lachen). Wir haben über einen Hut diskutiert, das musst du dir mal überlegen. Du brauchst aber nur das eine Requisit, was es glasklar macht: die Hundeleine. Und da es eine Ausziehleine ist, hat Markus die Variabilität überall hinzugehen, sogar ins Publikum rein! Aber ich halte ihn immer an der Leine, dieses Requisit hält die Spannung hoch, im wahrsten Sinne des Wortes.
Ich frage mich gerade, warum es überhaupt funktioniert. Nehmen wir als Zuschauer sofort hin, dass der Wähler ein Tier ist? Dass der AfD-Wähler ein Hund ist?
Adrian: Du möchtest nicht sagen „Es ist ein Hund“ oder „Es ist ein Mensch“, du möchtest vermitteln „Es ist ein Mensch, der sich verhält wie ein Hund“. Darum braucht es auch kein Kostüm. Das Bild muss ambivalent bleiben.
Markus: Andernfalls nehme ich den Leuten ja eine Bedeutung weg. Man kann sich denken „Lustig, wie er nach seinen Flöhen sucht“ oder man kann denken „Es ist ein Wähler, der auf seine tierischen Instinkte hört“.
Der Wähler ist auf den Hund gekommen!
Markus: Siehste, was da alles drinsteckt (lacht)!
EINSCHUB: Clip von YouTube: Wo kommen die Wähler*innen der AfD her?
Sind die simplen Ideen nicht sowieso die besten, die griffigsten? Die sofort Assoziationsräume aufschließen?
Markus: Es ist immer das Schönste, wenn du ein so klares Bild kreieren kannst, dass die Leute sofort bei dir sind.
Adrian: Ich erinnere mich an unsere Bühnenumsetzung der Radioserie „Sataan“. Markus muss den Satan spielen und der Satan ist vier Meter groß, nackt, hat Hörner und ist muskelbepackt. Wie kriegen wir das hin? Zuerst hat Markus nur in einem Schattenriss gespielt, um größer zu wirken. Das war aber sehr aufwendig und hat’s nicht gebracht …
Markus: Weil man eben keine Mimik sieht und der Effekt sich nach zehn Sekunden verbraucht hat.
Adrian: Dann hatten wir einen Auftritt auf Stelzen überlegt und mit Verkleidung, aber es würde nie gut aussehen. Denn im Film sieht der Teufel immer geil aus. Das kannst du auf der Bühne nicht leisten, schon gar nicht in einem schnellen Umzug.
Markus: Im Radio funktioniert die Figur nur durch die bloße Behauptung – und die Stimme, um fünf Halbtöne tiefer gepitcht (röhrt ein „Aaahaaaahaaa“).
Irgendwann haben wir kapiert, dass reicht auch für die Bühne, egal dass ich nur 1,68 Meter groß bin! Wir machen meine Stimme tiefer, geben ein akustisches Signal und ich ziehe mir einen albernen Hörnerhelm mit Lockenfrisur auf.
Sofort hat man das Bild vor Augen: Da ist Satan!
Adrian: Wenn Markus, so wie er ist, auf die Bühne tritt und ruft „Ich bin vier Meter groß und der Beherrscher der Welt!“, dann ist da die Fallhöhe, die wir im Radio hatten, auf der Bühne im Bild umgesetzt. Es ist lustig und Markus hat noch die Möglichkeit, Beschimpfungen ins Publikum zu schleudern, weil er in dem Augenblick so albern aussieht.
Was die Komik weiter anheizt.
Markus: Und es bietet eine ironische Spielebene, weil man Satan sagen kann:
„Hör mal, du bist keine vier Meter, das ist dir schon klar, oder“?
Adrian (röhrt als Satan): SCHWEIIIIIG!
EINSCHUB: Wer reinhören mag, ein Zusammenschnitt der ersten 36 „Sataan“-Radiosketche!
Markus: Das war ein großer Knackpunkt in der Geschichte von Onkel Fisch.
Adrian (röhrt weiter als Satan): DIE GESCHICHTE VON ONKEL FISCH!
Huch, ich dachte immer, Markus sei wirklich der Satan. Der Satan muss ein Saarländer sein! (alle lachen)
Nochmal zurück auf das Politkabarett und die AfD. Kabarettistinnen und Komiker erzählen mir, dass Leute den Saal verlassen, wenn es kritisch gegen rechts geht oder fragen nach der Show, ob denn „dieses AfD-Bashing sein müsse“.
Was macht ihr für Erfahrungen mit dem Publikum?
Adrian: Wir haben keinen solchen Erfahrungen gemacht, uns hat noch nie jemand angegangen. Im Europaprogramm hält Markus eine Wutrede auf die AfD, auch da kam nichts zurück. Ich denke, wir hatten definitiv keine AfD-Wähler im Saal.
Denn der klassische Populist hat keinen Humor. Humor ist subversiv, Humor ist anarchisch. Der rechtskonservative Mensch hat grundsätzlich weniger Humor als andere, der Kommunist hat übrigens auch keinen Humor.
Eigentlich hoffe ich aber, dass selbst Leute, die kein AfD-Bashing hören wollen, bei uns vorher so viel gelacht haben und so nett dort hingeführt worden sind, dass sie in dem Augenblick nicht groß drüber nachdenken.
Markus: Das Programm ist noch nicht so alt, insofern schauen wir, was noch passiert. Es ist aber eben unser Anspruch, uns aus vielen unterschiedlichen Richtungen diesem Thema zu nähern. Wir verknüpfen Information mit verqueren Gedanken und verrückten Ansätzen, möglicherweise erkennen die Leute „Ich kann ein Thema so oder so betrachten“ und das macht sie im Endeffekt ein wenig empfänglicher und ‚weicher‘.
Ihr wart ja ein erfolgreiches Comedy-Duo, bis die Welle dann ausgelaufen ist. Comedy-Duos hatten sozusagen verkackt und ihr habt euch dann „Action-Kabarett“ auf die Fahnen geschrieben. Wie verzweifelt war der Versuch seinerzeit?
Markus: Als verzweifelt hab ich’s nicht empfunden. Wir haben zehn Jahre lang sehr intensiv für 1Live Radiosketche produziert, das war eine tolle Zeit, aber irgendwann ging auch die Luft raus. Uns kam selber der Wunsch nach neuen Humorfeldern zu suchen, die uns interessieren.
Adrian: Wir haben mit unserer Agentur das Label „Onkel Fisch wird erwachsen“ geprägt. Wir haben unter uns im Büro sowieso immer viel über Politik geredet, konnten das aber nur selten in den Comedies unterbringen. Der Schritt zu was Politischem war dann nicht schwer.
Unser Problem war die Form des Kabaretts, wie man es von Volker Pispers oder Matthias Beltz kannte. Wir mussten also für uns finden, was wir machen wollten und wie wir es machen konnten.
„Wir lieben albern!“
Markus: Umso schöner war die Erfahrung, dass wir mit unserer Art doch als kabarettistisch anspruchsvoll wahrgenommen wurden. Wir lieben ja alberne Sachen, weil das so eine schöne Humorfarbe ist. Albern wird aber leider oft mit „zu einfach“ gleichgesetzt.
Dann aber Nummern zu spielen wie zwei Lobbyisten, die sich wie Hunde beschnüffeln und mit ihren Attributen prahlen, die selbst bei einem Hardcore-Kabarettpublikum funktionieren, das zu sehen war unglaublich schön!
Adrian: Und hat die Sache kolossal vereinfacht! (beide lachen)
EINSCHUB: Clip von YouTube: Helikopter-Eltern
Ihr hattet Bock auf Inhalt. Seid ihr womöglich froh, aus dem Comedysumpf raus zu sein?
Adrian: Nö, das nicht. Aber wir waren nie diese Comedians, die sich beim Frühstück wundern, was denn „Cerealien“ sind. Das waren nie unsere Themen, sondern wir haben eher irritierende Sachen gemacht, die aus unserem sehr eigenen Kosmos kamen. Da ist es schwerer gewesen, etwas Lustiges zu finden. Das Problem ist nun vom Tisch. Heute fragen wir uns „Was machen wir zum Brexit?“ und können aus dem Stand loslegen, das fällt uns leicht.
Darf man sich lustig machen über Annegret Kramp-Karrenbauer oder ihren Doppelnamen?
Markus: Ei jo.
Ihr dürft, weil der Markus Saarländer ist! Was sagt ein Saarländer zu Annegret Kramp-Karrenbauer?
Markus: Natürlich muss man Witze über „Es Annegretche“ machen! Wichtig ist hier übrigens der unbestimmte Artikel „es“, ohne diesen ist das im Saarländischen unkorrekt ausgesprochen.
„Es Annegretche“ oder „Es Annegredel“ muss natürlich Zielscheibe des Humors sein, sie wird vielleicht mal Kanzlerin. Saarländer übernehmen sowieso schleichend die Republik, ich sage nur: Heiko Maas und Peter Altmaier.
Adrian: Wir machen den Witz, dass sich ihr erster Nachname auf „Trump“ reimt und ihr zweiter die Verbindung zur deutschen Autoindustrie garantiert. Dieser Namenswitz funktioniert aber auf einer anderen Ebene als der von Bernd Stelter.
Eben, ihr geht ja tiefer. Die Comedy sagt bloß „Was hat die Frau für nen komischen Doppelnamen“.
Markus: Ich habe im Kabarett auch schon Merkel-Frisurwitze gehört. Das Kabarett will ja auch gefallen, das Kabarett will auch Lacher haben! Ich find’s zum Einstieg auch gar nicht schlimm, mal einen flachen Witz zu reißen. Danach aber sollte man erzählen, weshalb man sich diese Person als Zielscheibe ausgesucht hat.
Kramp-Karrenbauers Ansichten zur „Ehe für alle“ zum Beispiel sind einfach … furchtbar, das ist 8. Jahrhundert!
Adrian: Sag nichts gegen das 8. Jahrhundert, das war noch ganz cool im Vergleich zum 9. Jahrhundert. (alle lachen)
Aber wo ist die Grenze zwischen Kabarett und Comedy? Endlose Diskussion!
Spielt ihr ein Programm überhaupt zwei Jahre? Eure Premierenfrequenz scheint mir höher zu sein …
Markus: Es waren acht Programme in den letzten zehn Jahren, einschließlich der Jahresrückblicke.
Adrian: Unsere Schlagzahl ist ein neues Onkel-Fisch-Programm alle zwei Jahre.
Wollt oder müsst ihr so schnell nachlegen?
Adrian: Man muss sich schon produktiv zeigen, das Geschäft will es so.
Mal was anderes: Wann habt ihr eigentlich euren „Men in Black“-Look etabliert?
Adrian: Das allererste Programm haben wir in gelben Hemden und roten Wollpullundern gespielt, das war wirklich sehr … warm. Dann sind wir auf Anzüge mit Westen und lustigen Krawatten in bunten Farben gewechselt.
Markus: Dreiteiler, genau. Irgendwann dachten wir uns, wir lassen auch die Westen und Krawatten weg. Und mit dem Wechsel auf die Kabarettschiene kam dann der jetzige Look.
Normierte Garderobe: Anzug ist immer Kabarett!
Adrian: Auch hier geht es ja ums Bild. Ich glaube, Stan Laurel hat gesagt „Hinfallen ist lustig, doppelt lustig ist es, wenn man es im Smoking tut“. Der reiche Mann geht zu Boden, Fallhöhe im wahrsten Sinne des Wortes. Unsere Anzüge strahlen eine gewisse Seriosität aus, die sofort in sich zusammenfällt, wenn wir rappen oder tanzen oder fechten.
Waren es die „Men in Black“, die euch zu dem Look inspiriert haben?
Markus: Nein.
Schon mal für die „Blues Brothers“ gehalten worden?
(alle lachen) Macht doch mal einen Coversong von den „Blues Brothers“!
Adrian: Das wäre zu naheliegend.
Und die Hüte fehlen! Und die Sonnenbrillen!
Markus: Und das Auto.
Adrian: Mit Sonnenbrille ist man Security, mit Hut dann Blues Brother.
Damit wäre die Hierarchie der Men in Black geklärt.
Spatzige Frage: Wos is‘ Geheimnis von Kreativitääääterätätät? Ich erlaube mir, um kreativ zu sein, kleine Wahnsinnsanfälle. Wos is‘ eier Geheimnis von Kreativitääääterätätät?
Markus: Einfach anfangen, hau drauf los. Du bekommst ein Thema gestellt, fang einfach an. Beginn mit dem lahmsten Witz, der dir einfällt, dann hangelst du dich von einem zum nächsten, dann fällt dem Partner was dazu ein: „Wenn du es umdrehst, wird es total lustig.“ – „Noch geiler, wenn man das Umgedrehte auf den Kopf stellen würde.“ – „Dann malen wir es noch gelb an und es ist richtig geil!“
Adrian: Außerdem erzählen wir es aus der Sicht eines Papageis. (alle lachen)
Sich die Bälle zuspielen.
Markus: Und auch keine Denkverbote, sind ganz schlecht.
Adrian: Es ist erlaubt, alles zu sagen. Es ist erlaubt, alles wegzuschmeißen. Beides hat gleiche Berechtigung. Es ist nicht so, dass du alles behalten und umsetzen musst. Bereit sein, Sachen sofort wieder aufzugeben.
Markus: Und das ist manchmal ECHT schwierig. (beide lachen)
Verstehe. Man muss loslassen können, Ideen kippen können.
Markus: Trotz 25 Jahren erfahren fällst du immer wieder drauf rein. Du denkst: Ich weiß, dass es so am lustigsten ist, warum kapiert der andere es nicht? Wach und ehrlich genug bleiben, um zu merken, wann etwas nicht funktioniert.
Adrian: Hilfreich ist prinzipiell auch zu wissen, was man NICHT machen möchte.
Zum Schluss eine schnelle, quatschige Entweder-Oder-Frage.
Was würdet ihr lieber tun: Mal eine Woche vegan leben oder ein Hotelzimmer verwüsten?
Markus (lacht): Der Saarländer sagt ja gerne „Hauptsach‘, gut gess‘“, deshalb muss er das Hotelzimmer zerstören.
Adrian: Ich würde auch das Hotelzimmer verwüsten.
Gesprochen wie wahre Action-Kabarettisten!
Bei Klick Überblick über den Tourneeplan von Onkel Fisch.