Eine Comicstrip-Entdeckung: LITTLE SPACEONEERS

Vier Kinder und ein Hund – mit diesem Aufgebot macht man im Jugendbereich nichts falsch; und auch im Comicstrip trägt dieser Line-up schöne Früchte.
Wir denken natürlich sofort an die PEANUTS mit Charly Brown, Linus, Lucy, Schröder und Snoopy.

Dieser Artikel möchte auf ein Projekt des Jahres 2018 hinweisen, das offenbar höchst unbemerkt durch eine „Design & Data GmbH“ veröffentlicht wurde. Clever und behutsam haben der Autor Carlo Palazzari und der Kölner Zeichner Tristan Wilder die PEANUTS-Formel modernisiert und 80 Episoden eines Strips namens LITTLE SPACEONEERS realisiert. Und die sind richtig gut!

Über den neologistischen Begriff SPACEONEERS kann man streiten. Klingt eigenartig, geht aber doch ganz gut von der Zunge und trifft perfekt, worum es geht: um Kinder, die sich als Pioniere der Raumfahrt verstehen. Aber natürlich keinen Meter vom Boden hochkommen …

Hier sahen wir die Schrauberin Stella, die ein monströses Gefährt zusammengebastelt hat. Das aber ist mitnichten das Raumschiff, sondern eine Maschine zur Produktion von Limonade, um durch deren Verkauf die Weltraumreise zu finanzieren! Hund Laika beginnt zu rechnen und wir ahnen, dass man Limonade bis ans Ende der Zeiten verkaufen müsste.

Man beachte, dass sich LITTLE SPACEONEERS (ein Strip, der in der Gegenwart spielt) einen Rückgriff auf das US-amerikanische Nostalgie-Klischee des Straßenverkaufs von Limonade erlaubt. Ein Strip, der sich Traditionen bedient und auf Klischees aufsetzt – und beweist, dass vorgefertigte Muster der schnellste Weg zum Verständnis sind.

Die Verortung dieses Comics ist unsere Zeit und eine nicht näher genannte ländliche Region in den USA. Nirgends sehen wir Gebäude, Autos, andere Hintergründe als mal ein Feld, eine Wiese, eine Lichtung. LITTLE SPACEONEERS sind demzufolge auch gleich in englischer Sprache konzipiert.

Zum Personal

Vier Kinder und ein Hund, mal frech verglichen: Kurt (the Geek) ist Charly Brown, der tollpatschige Rumhänger und das fünfte Rad am Wagen. Kurt hat eigentlich kein Interesse, zum Mars zu fliegen. Er ist dabei, weil seine Freunde dabei sind.

Stella (the Mechanic) ist Lucy, die entschlossene Macherin, die für die Hardware zuständig ist. Stella hat jedoch keinerlei romantisches Interesse an irgendwem, sie ist auch keine Kneifzange, sondern hantiert lieber mit der Rohrzange.

Isaac (the Nerd) ist Schröder, der fleißige Grübler, versunken in seine Wissenschaft. Isaac ist die kindhafte Parodie des bebrillten Forschers im Laborkittel, könnte aber auch als Abziehbild eines IT-Experten herhalten.

Kaya (the Daredevil) ist Linus, die in sich zurückgezogene Träumerin. Kaya läuft in einem selbst entworfenen Raumschutzanzug herum, dessen Helm sie niemals abnimmt. Nur ihr Name lässt vermuten, dass wir es mit einer weiblichen Person zu tun haben.

Laika (the Robot Dog) ist Snoopy, der vierbeinige Freund der Kinder. Nur ist Laika hier ein Robothund, der keine Kämpfe mit dem „Roten Baron“, sondern mit konkurrierender Technik ausficht.

Kids will be kids

Die Freundschaft der vier Kinder beruht auf der Leidenschaft für Science Fiction, Raumfahrt, Technik und Experimentierlust. Isaac und Stella arbeiten Hand in Hand an der Entwicklung von Krams und Krempel, mit Kaya steht eine Testpilotin bereit, Kurt unterfüttert das Projekt mit popkulturellem Fachwissen – und Hund Laika ist das Fragezeichen an LITTLE SPACEONEERS.

Den metallenen Köter braucht es eigentlich nicht; unklar ist auch, woher er kommt. Haben Isaac und Stella tatsächlich was auf die Reihe gekriegt?
Andererseits dient er zur Ergänzung des Ensembles durch ein fantastisches Element (sprechendes Robot-Tier) und ist natürlich ein Zitat aus der Raumfahrtgeschichte (erster Hund im Weltall).

Laikas pure Anwesenheit unterstreicht die Ernsthaftigkeit der kindlichen Träumereien. Vielleicht existiert er aber auch nur in deren Köpfen! Köpfe, die sich in wenig zielführenden Diskussionen erhitzen:

LITTLE SPACEONEERS sind ein Feelgood-Comicstrip, der uns Ältere an Spielenachmittage draußen auf den Wiesen erinnern mag. Ich hatte zum Beispiel diese Pappraketen, die man mit einem Feuerwerkstreibsatz in die Luft schießen konnte. Die stiegen tatsächlich 50 Meter hoch in den Himmel, um dann – wenn der Treibsatz richtig zündete – an einem Fallschirm wieder zur Erde zu fallen. Aufregend!

Kurt, Stella, Isaac, Kaya und auch Laika begeistern sich für ein Hobby, das zwar modern wirkt, aber eigentlich von Nostalgie getragen wird. In diesem Strip taucht kein Smartphone auf, wird kein Crowdfunding gestartet und werden keine Unterstützer auf Social Media geworben. Wilders und Palazzaris Kinder könnten genauso gut Spielkameraden der PEANUTS sein.

LITTLE SPACEONEERS handelt von unbekümmerten jugendlichen Fantasien. Es geht in keinster Weise darum, wirklich ins Weltall aufzubrechen. Der Weg zum Mars ist das Ziel. Ach, genau genommen: Der Weg zum Spielplatz, wo man vom Mars fantasiert, ist das Ziel.

Auch wenn der folgende Strip suggeriert, wir befänden uns in einem Raumfahrt-Kontrollzentrum, wo Flugingenieur Isaac eine Reise durch den Weltraum koordiniert, hockt der abwesende Kurt wahrscheinlich nur im Nebenraum und trommelt auf einer leeren Waschmittelkiste:

Mein Lob gilt nicht nur dem Autoren Carlo Palazzari, der seine Figuren gut bedient und griffige Pointen setzen kann. Sondern auch Zeichner Tristan Wilder hat seine Charaktere wiedererkennbar und liebenswürdig angelegt. Auch seine Komposition und Kameraführung lässt nichts zu wünschen übrig.
Er ist kein Franquin und kein Bill Watterson, aber Wilder versteht auch etwas von Mimik und Gestik und bringt rüber, was rüberzubringen ist. Dieser Strip muss sich selbst international nicht verstecken.

Dass der Serie nach 80 Folgen die Puste ausgeht, ist mehr als verzeihlich. Ein ausbleibender kommerzieller Erfolg bremst fast alle, die sich ihrer Sache mit Herzblut verschreiben. Ich bin der festen Überzeugung, dass man die LITTLE SPACEONEERS fortführen könnte. Das Personal des Strips ist so gut aufgestellt, dass sich weitere Anekdoten erfinden ließen.

Dieses wunderbare Comicheft bekommen Sie am besten auf Festivals am Stand der Künstler selber (so Sie diese ausfindig machen können). Ansonsten versuchen Sie es bitte per Onlinebestellung auf https://www.tristanwilder.com/de_DE/.

Den Preis für die LITTLE SPACEONEERS kann ich Ihnen nicht nennen – zahlen Sie jeden!

Gerne stelle ich Ihnen im Blättervideo die vier Kinder und den Hund genauer vor.