Tillmann schaut: WATCHMEN

Ich bin einer der wenigen, die diese Comicverfilmung tatsächlich mögen. Für mich funktioniert Zack Snyders Werk von 2009 auch beim dritten und vierten Mal noch.
Auf seinen knapp über zweieinhalb Stunden gibt der Film einen Meilenstein der Comichistorie knackig, werkgetreu und kompetent wieder. Mir fehlt da nichts – abgesehen vom haptischen, selbstbestimmten Lesen dieses Mammutwerks von beinahe 450 Seiten.

Unser Heldenaufgebot: Comedian, Silk Spectre, Dr. Manhattan, Ozymandias, Nite Owl und Rorschach.

WATCHMEN der Film ist ein Augenschmaus und optisch verblüffend nah am Original, beim ersten Sehen war ich völlig baff, wie ähnlich die Figuren ihren Darstellern sind (abgesehen von Veidt/Ozymandias, mit dessen im Vergleich schmächtigem Darsteller Matthew Goode ich lange gerungen habe). Auch die szenische Abfolge liegt erstaunlich eng am Comic, manche Schnittfolgen lassen einzelne Seiten des Comics lebendig werden.

Aus dem Film gekippt hat man die komplette Buch-im-Buch-Piratengeschichte „Tales of the Black Freighter“, die man eher als Alan-Mooreschen-Metaspaß verstehen sollte (und die in der Tat überflüssig ist). Angemerkt sei, dass es eine gesonderte Trickverfilmung dieses Stoffs vom WATCHMEN-Produktionsteams gibt (!), die ich allerdings nie gesehen habe (ist auch erst ab 18 Jahren), höchst merkwürdig.

Anyway, der Film macht in meinen Augen alles richtig – und eine entscheidende Kleinigkeit sogar besser! Nämlich den Angriff auf New York (und weitere Städte rund um den Globus, wobei im Comic nur New York getroffen wurde). Im Film schiebt man die Zerstörung dem vergrätzten Dr. Manhattan unter, im Comic wird eine außerirdische Bedrohung konstruiert, die sich in einem (von Veidts Wissenschaftlern) erschaffenen und dann teleportierten Pseudo-Alien manifestiert (was wahnsinnig krude und aufwendig ist, wenn man mal drüber nachdenkt).
Der Film nutzt die gottgleichen Fähigkeiten seines Dr. Manhattan, der der Menschheit den Stinkefinger zeigt. Das ist absolut schlüssig (Plotmotto: „Arbeite mit dem, was du hast“) und damit dramaturgisch sehr viel sauberer.

WATCHMEN konzentriert sich auf die Intrige im Kern der Handlung und das macht ihn zu einem sehenswerten, noch nicht dagewesenen Thriller mit Superhelden. Zu Beginn wird der Comedian ermordet und bis zum Schluss nagen an uns die Fragen: Wer steckt dahinter, welcher teuflische Plan entfaltet sich hier?

Das Logo von WATCHMEN und grafisches Leitmotiv ist ein blutbesudelter Smiley. Subtil ist das nicht, aber einprägsam.

Figur für Figur klopft der Film ab, Stück für Stück setzt sich ein gewaltiges Mosaik zusammen, das mich als Zuschauer auch berührt und offenbart, dass dieser Stoff kein Actiongedöns ist, sondern eine schillernde Tragikomödie der Menschheit – drunter macht es der Originalautor Alan Moore ja auch nicht, liebe Frage-Nager.

Zwinker-Smiley!

Ein schmissiges YouTube-Tutorial zeigt Ihnen in 11 Minuten, wo die Unterschiede von Comic und Film liegen. Wer es genau wissen möchte, klickt HIER und kann mitdiskutieren.

Noch ein Wort zum Regisseur und den Darstellern: Zack Snyder gilt manchen Movienerds als der zerstörerische Antichrist, der Comicvisionen in den Staub tritt, ich bitte um differenziertere Betrachtung. „300“ ist natürlich totaler Humbug (war die Vorlage schon), aber Snyder setzt das visuell faszinierend um. Ein digitaler Bombastschinken, der in meinem Schrank steht und auf meiner Top Ten der Guilty Pleasures lungert. Zum Schreien!

SUCKER PUNCH spielt auch in dieser Liga, sollte man nicht vergessen, könnte so was sein wie die Punkversion von TRANSFORMERS. MAN OF STEEL ist in meinen Augen absolut scheußlich, ich ertrage keine fünf Minuten. Fühlt sich extrem falsch an. Ehrlich, sofort wieder ausgemacht.
BATMAN V SUPERMAN habe ich ausgelassen, soll nix taugen, wie man allerorten hört und liest. Und JUSTICE LEAGUE war … Gottchen … okayyy … aber Superhelden sind nicht meins. Kann ich mich nur drüber lustig machen, hab ich ja auch getan, siehe Besprechung zu JUSTICE LEAGUE hier auf diesem Blog.

Die Riege der Darsteller in WATCHMEN agiert ordentlich, wenn auch nicht glänzend. Am besten gefällt mir (wahrscheinlich allen) Jackie Earle Haley als heimliche Hauptfigur Rorschach; Haley ist eine wundervoll schräge Tpe, die man viel zu selten sieht (Nebenrolle in der sehenswerten Serie HUMAN TARGET – hmmm, in PREACHER soll er sein, diese Comicverserialisierung hat kein Mensch gesehen, oder? Ich auch nicht, war verdächtig schnell weg aus den Schlagzeilen, müsste ich mal sehen).

Der Soziopath Rorschach ist ein unvergesslicher Charakter, der den WATCHMEN eine finstere Noir-Attitüde verleiht.

Comedian-Darsteller Jeffrey Dean Morgan ist dieser Negan aus THE WALKING DEAD, das zu besprechen mir zu pisselig ist. Ich sah die erste Staffel von sechs Folgen und war peinlich berührt: pathetisch, kitschig, klischiert, nervig – amerikanisch im schlechten Sinne!

Der Comodian verkörpert die alptraumartigen Aspekte des ‚American Dream‘.

Und zum Schluss der deutsche Trailer zu WATCHMEN – ehe ich in weiteren Exkursen steckenbleibe. Dieser Artikel mäandert lustig von Film zu Serie usw., macht mir aber auch mal Freude. So, der Trailer jetzt aber: Möge er Appetit machen oder Übelkeit erregen!

Achso, eins noch. Wenn Ihnen das NICHT gefallen hat, dann vielleicht aber doch die „Opening Credits“-Sequenz, die JEDEN begeistert hat. Im Zeitraffer präsentiert Snyder eine gekonnte Geschichte dieser Superhelden über mehrere Jahrzehnte hinweg. Das ist meisterlich und eine atemberaubende Referenz an alte Comichefte (und Popkultur an sich!).