GIRLSPLAINING von Katja Klengel

Webcomics sind für mich nicht real, tut mir leid. Natürlich lese ich Comics (auch) digital, nämlich wenn ich nicht anders rankomme, aber es ist nicht dasselbe wie ein gedrucktes Buch in Händen zu halten und blättern zu können und den Blick schweifen zu lassen.

Schön also, dass der Verlag reprodukt der Zeichnerin Katja Klengel eine Printausgabe ihrer GIRLSPLAINING –Serie spendiert, die auf dem feministischen Blog „Broadly“ zu finden war und ist.
Sie können das in wenigen Minuten huschhusch durchklicken und digital verschlingen, haben aber nun eine Alternative. Ich neige dazu, digitale Comics unaufmerksamer und ungeduldiger zu konsumieren, weil ich nie weiß, wie viele Bilder da noch kommen und mir die Einschätzung des Endes und somit der Lesezeit fehlt. Digitales lädt mich nicht zum Verweilen ein, und das mindert den Genuss und missachtet auch die Arbeit, die im Projekt steckt. Auf dem Computerschirm ist alles flüchtig, für mich jedenfalls.

Hossa, Entschuldigung für den Exkurs in persönlicher Sache, wir wollten zu Katja Klengels GIRLSPLAINING  (und haben damit demonstriert, wie Männer allgemein ins Schwafeln kommen und anderen die Welt erklären – das nämlich ist ‚Mansplaining‘, der Begriff, auf den Klengel abhebt).

Mit GIRLSPLAINING  nimmt sich die Künstlerin die Frech- und Freiheit, ihre Sicht der Dinge ungestört auszubreiten und das ist ihre Wut auf den subtilen Sexismus im Alltag, der Frauen ein Verhalten vorschreibt und Normen oktroyiert, die durch nichts gerechtfertigt sind.

Klengel verlagert zur Betonung ihres Standpunktes diese Szene in eine Schulklasse zu Beginn des 20. Jahrhunderts, einer Zeit, als aufbegehrende Frauen pauschal zu „Hysterikerinnen“ abgestempelt wurden.

 

Wahr ist, dass Klengel all  die alten Standardthemen wieder aufs Tapet bringt: Behaarung/Enthaarung, Vulva und Vagina, weiblicher Orgasmus, Kinder kriegen oder nicht, Barbiepuppen, die Mär vom schwachen Geschlecht.

Wer das ermüdend findet, hat nicht verstanden, dass diese Themen immer noch relevant sind und für jede neue Frauengeneration aufs Neue von Bedeutung. Also ist Klengel an der Reihe und serviert uns das auf ihre Weise in Comicform.

Gender-affine Comicleser*innen denken nun vielleicht an Liv Strömquist, die beim Konkurrenzverlag avant den Überraschungs-Bestseller DER URSPRUNG DER WELT veröffentlichte. Eine feministische Historie von Menstruation, Vulva und Vagina, beworben als Comic.

Ich freue mich über jeden Comic, der seinem Verleger Geld einbringt, aber bei Strömquist wundere ich mich über den kritiklosen Beifall für dieses Werk. Dass wir uns nicht falsch verstehen: Toll, dass uns Strömquist aufzeigt, wie männliche Geschichtsschreibung mit Desinformationen arbeitet und somit Frauen unterdrückt, aber künstlerisch ist DER URSPRUNG DER WELT eine Zumutung! Krakelige Zeichnungen ringen mit klobigen Textbausteinen. Das macht leider null Spaß – ich jedenfalls musste mich hindurchkämpfen.

Und Spaß verlange ich, gerade bei heiklenThemen!

Und das eben kriegt Katja Klengel mit ihrem GIRLSPLAINING hin!
(Die Autorin und Zeichnerin scheint auf dem Strömquist-Erfolg aufzusetzen, denn ihre Comickolumnen beginnen kurz danach; womit sich die Frage erübrigt, ob Klengel zur falschen Zeit im falschen Blog war …)

Klengel etabliert mit ihrem Comic-Alter Ego eine sympathische und selbstironische Hauptfigur, die uns in sieben Episoden feministische Standpunkte verklickert. Das ist locker, das ist unterhaltsam, das ist einleuchtend.

Die Verlegenheitsantworten von Mutter und Vater im obigen Beispiel sind großartige Comedy, verpackt in Sitcom-artige Situationen; man merkt dem Werk an, dass Autorin Klengel auch Drehbücher schreibt. Ich find’s griffig, ich find’s witzig, ich find’s prima so.

Es ist auch zugänglich für jedermann (jawohl, jedermann, sollen ruhig auch die Kerle lesen). Frauen haben an GIRLSPLAINING  sowieso ihre Freude.

Dies ein weiterer Unterschied zu Strömquist, die zwar inhaltlich tiefer geht (historisch-wissenschaftlich), dafür aber sperrig ist und spröde und (wir erwähnten es schon) grafisch alles andere als appetitlich. Klengel illustriert cartoonig und gefällig (mit Zusatzfarbe Rosa!), ihr Artwork tut keinem weh und gefällt mir am besten, wenn sie gekonnt einen Hauch von Horror ins Spiel bringt (so in der folgenden, fantasierten Szene vom Kaiserschnitt).

Liv Strömquists DER URSPRUNG DER WELT ist übrigens kein Comic, um das mal klarzustellen. Es ist ein illustriertes Sachbuch, das sich gewisser Formalien des Comics (Seitenlayout, Bilderanordnungen) bedient, ohne jedoch einer zu sein.

(Vorm Comicforschungs-Gerichtshof komme ich damit nicht durch, gewiefte Akademiker werden Strömquist als Comic vereinnahmen können, aber vertrauen Sie mir: Es ist keiner.)

Lassen Sie doch bitte den Strömquist im Regal liegen und greifen sie zum Klengel.
Sie werden besser unterhalten sein und erhalten trotzdem einen superben Einstieg in modernen Feminismus. Wenn Sie dann noch mehr wissen wollen … die Strömquist-Bücher (gibt zwei mittlerweile) laufen ja nicht weg …

PS: Ich finde den Begriff ‚Mansplaining‘ übrigens wunderbar! Und so zutreffend und wahr!

Ich behaupte, kein Mansplaining zu betreiben, kenne aber einige Kerle, die nahezu unaufhaltsam vor sich hin salbadern – und das auch Männern gegenüber. Dieses Phänomen gründet wohl im Charakter der betreffenden Personen; ob es in Zeiten sozialer Medien und allgemeinen Herumplärrens auf weitere Teile der Gesellschaft ausgegriffen hat, wäre eine Untersuchung wert …

Noch ein Beispiel für Klengels Selbstironie: Die gealterte Künstlerin versucht, ihrem Enkel die Bedeutung starker Frauenfiguren wie Sailor Moon weiterzugeben …

 

Auf YouTube findet sich dieser hübsche Clip, in dem Late-Night-Talker Jimmy Kimmel die Beinahe-Präsidentin Hillary Clinton mit arroganten Einwürfen lang macht.
Zeigt sehr schön, wie Frauen es den Männern nie recht machen können.