Dieser Comic will nichts Besonderes sein – und hat mir gerade deswegen gefallen.
Das Spezielle an BATMAN/ DYLAN DOG erschöpft sich nämlich bereits im Team-Up dieser beiden Comicfiguren, die noch nie Berührung miteinander hatten.
In einer Kollaboration von DC mit Editore Bonelli erleben wir ein europäisches Abenteuer, denn Batman verlässt Gotham und trifft in London auf Dylan Dog.
(DYLAN DOG ist der italienische Nationalcomic, der in Deutschland trotz mehrerer Anläufe nie Fuß fassen konnte; wer ihn nicht kennt, bitte im Link nachlesen.)
Ein wenig Kenntnis von DYLAN DOG ist hilfreich, aber keine Voraussetzung. Der Wikipedia-Artikel reicht zur Not plus der Information, dass Dylan es mit übernatürlichen Phänomenen zu tun hat!
Dieser Comic jedoch beginnt mit dem irren Doktor Xabaras, der mit seiner Superformel Leichen wiederbeleben will. Dylan kann ihn unschädlich machen, doch seine Versuche haben die Neugier des Jokers geweckt, der auf seinen Spuren weiterforscht.
Rest der Handlung in einem Satz:
Batman, der „Dark Knight“ und Dylan Dog, der „Investigator of Nightmares“, suchen gemeinsam den Joker, der einen sinistren Plan mit einem teuflischen Serum verfolgt.
Völlig mumpe, was er vorhat – denn es geht hier um keinen Suspense-Plot, sondern es geht um Begegnungen.
Zum Beispiel diese erste: Auf nur sieben Bildern klopfen sich Bruce Wayne und Dylan Dog ab – und gehen zunächst getrennter Wege!



Nach Dylans erster Konfrontation mit lebenden Leichen und einem Kampf gegen Jokers Gehilfen Killer Croc werden Groucho und Selina Kyle alias Catwoman entführt und vom Joker mit dem neuen Serum infiziert.
Dylan braucht Hilfe und wendet sich an seinen Freund von Scotland Yard: Inspektor Bloch. Der fordert Amtshilfe bei Commissioner Gordon ein und bekommt den Tipp, Batman mit dem Bat-Signal herbeizurufen.
Das sieht mehr nach gerupfter Ente aus, erfüllt jedoch seinen Zweck:


Jetzt kommt es zur Zusammenarbeit der beiden Helden, die nicht unproblematisch ist, am Ende aber Früchte trägt.
Batman wundert sich über Dylans legere Art, die Dinge intuitiv anzugehen (und über dem Verzehr einer Pizza einfach mal zu meditieren).
Dylan Dog hingegen ist befremdet von der zupackenden Art des Amerikaners, der sich auf seine High-Tech-Gadgets verlässt und rücksichtslos rational zu Werke geht.
Und das gefällt mir an BATMAN/ DYLAN DOG: die jeweilige Bespiegelung des Anderen.
Auf einer Meta-Ebene macht sich der italienische Comic über US-Superhelden lustig – und die amerikanische Industrie schüttelt den Kopf über europäische Erzählkonzepte.
Gerne verweist der Comic auf wiederkehrende Motive (in der folgenden Sequenz die Abscheu vor Waffen), kreiert tolle Schauwerte und legt auch mal eine falsche Spur aus: Gleich treffen Batman und Dylan nicht etwa auf den Joker (wie es der ikonische Grinsemund vermuten lässt), sondern auf den infizierten Groucho, der seinen Arbeitgeber angreift:


Wiederholt: Dieser Comic funktioniert nicht über seine Handlung, sondern über die Begegnungen, die er sorgfältig und lustvoll inszeniert.
Ich zeige noch drei Seiten, weil sie so schön sind.
Batman hat den Joker gefangen und nach Arkham verfrachtet. Dort hockt er nun in der Zelle und möchte mit Dylan Dog sprechen.
Beachten Sie, wie hier nicht nur „Das Schweigen der Lämmer“ referenziert wird, sondern in einem (!) großen Panel das Selbstbild des Jokers samt seiner gesamten DC-Backstory präsentiert wird.



Im Gestern nichts Neues
BATMAN/ DYLAN DOG lässt sich auch zeitlich nicht festlegen. Er spielt in der Gegenwart, es könnten aber genauso gut die Achtzigerjahre sein.
Dieser Comic schwebt über der BATMAN-Historie, seine Anbindung an DYLAN DOG ermöglicht eine Retrospektive über Jahrzehnte hinweg.
Das Werk besticht mit hübsch gestellten Arrangements, die einfach Freude machen:
Eine Monsterhatz durch die Kanalisation, eine Flucht aus dem Labor des Schreckens, ein nächtlicher Hilferuf an Batman, eine Raserei mit dem Batmobil durch Londons Straßen, ein Handgemenge mit Untoten, ein Spaziergang durchs Inferno, ein Besuch im Arkham Asylum sowie ein Showdown in der „Crime Alley“!
Hier wird nichts neu erfunden, hier wird einfach auf Chiffren gerifft. Doch die sind cool miteinander verflochten und bedienen das Beste aus beiden Welten:
Der BATMAN-Kosmos stellt den Joker, Alfred, Catwoman, Mad Science und das Batmobil.
DYLAN DOG stiftet Groucho, Gigolo-Gefühle, philosophischen Humor, Séancen und einen Ausflug in die Hölle mit John Constantine.


Als Führer durchs Inferno gesellt sich der reimende Dämon Etrigan hinzu. Wieder geht es um Begegnungen, untermalt mit leisem Humor – indem sich die Figuren untereinander sticheln.
Beide Protagonisten sind ohne ihre Butler nicht vorstellbar, beide haben eine Schwäche für Selina Kyle, beide verabscheuen Feuerwaffen und beide kommen mit ihren unkonventionellen Strategien zu ihren Zielen.
In dieser Mischung ergibt das einen BATMAN-Comic, der mich aus meiner Bat-Lethargie reißt.
Das Konzept ist zwar kein neuer Wurf, Batman ist schon durch viele Epochen gescheucht, mit etlichen Persönlichkeiten verbandelt worden.
Doch mit BATMAN/ DYLAN DOG gelingt dem Autoren Roberto Recchioni ein unverschämt leichter und charmanter Comic, der sich in keinster Weise ernst nimmt und der weiß, dass er auf ausgetretenen Pfaden unterwegs ist – aber er genießt es, darauf zu hüpfen!
Grafisch wunderbar salopp sind die poppig bunten, oft skizzenhaften Illustrationen von Werther Dell’Edera (Vorzeichnungen) und Gigi Cavenago (Reinzeichnungen).
Die Verweigerung von Hochglanz-Glamour und hypertrophem Action-Zirkus verleiht dem Werk eine zeitlose Bodenständigkeit, die auch Lässigkeit erlaubt.
Ehe ich mir verbal weiter einen abbreche, schauen Sie auf dieses Auftauchen von Joker-Zombies wie auch Batman!


Also: BATMAN/ DYLAN DOG ist sowohl eine abenteuerliche Achterbahnfahrt durch Superheldenthemen als auch eine genüssliche Geisterbahnfahrt durch Gruselmotive.
Sie haben die Wahl zwischen einer deutschen Hardcover-Ausgabe bei Panini (die ich seltsamerweise nicht auf der Panini-Page finde) und dem englischsprachigen Original im Paperback (das ich Snob mir im Fachhandel besorgt habe, ist übrigens nur halb so teuer).
Jawohl, ich spare, allerdings nicht mit Worten. Zu diesem Beitrag wie immer noch ein Reel auf Instagram.