Supermenschen, was geht?

Ich werde ja hin und wieder gefragt: „Liest du auch Superhelden?“.

Da möchte ich doch mal gesammelt Auskunft geben. Erstens, dass ich im Plural lieber sanft gendernd von „Supermenschen“ spreche. Zweitens in einer Ausschlussrunde, die da lautet:

Kein Superman, kein Spider-Man, keine Fantastic Four, Avengers oder X-Men, kein Aquaman, kein Captain America, kein Flash, kein Hulk, kein Iron Man, kein Green Lantern, kein Deadpool und auch kein Thor.

Aber es gibt so viele Supertypen, dass immer noch genug übrig bleiben, die ich tatsächlich gelesen habe – und empfehlen kann.

(Aus der folgenden Listung klammere ich sämtlichen Parodien aus, wie beispielsweise THE WRONG EARTH, BRAT PACK, MARSHAL LAW oder BOMB QUEEN, darüber habe ich hier geschrieben.)

Was kann ich Menschen ans Herz legen, die eigentlich keine Supermenschen mögen oder des Genres überdrüssig sind? Nun, es gibt immer wieder Geschichten, in denen es nicht darum geht, welche Kraft die andere toppt oder wie eine außerdimensionale Bedrohung besiegt werden kann.

BATMAN

Geht immer, weil er eben kein Superheld ist!
Superkräfte finde ich per se albern, aber Bruce Wayne ist ein detektivischer Athlet, der sich technischer Gadgets und Gimmicks bedient.
Noch dazu ist er als Fledermausmann eine Kreatur der Nacht und lädt zum Crossover mit dem Horrorgenre ein.

Meine Webseite präsentiert BATMAN / DYLAN DOG, BATMAN DAMNED und GOTHAM NOCTURNE, gefallen haben mir auch die Klassiker BATMAN: THE DARK KNIGHT (Frank Miller), ARKHAM ASYLUM (Grant Morrison) und THE KILLING JOKE (Alan Moore).

Es finden sich durch die Jahrzehnte immer wieder kleine Perlen wie BATMAN/ HOUDINI, BLOODSTORM, DARK AGE oder JOKER: KILLER SMILE. Auch die neue Marktsensation, ABSOLUTE BATMAN, lässt sich wirklich gut an!

Zudem gehört der beste Superschurke aller Zeiten zum Batman-Kosmos: Der JOKER ist nicht zu toppen (und tritt in fast allen genannten Werken auf).

CATWOMAN

Die Fetisch-Fantasie an Batmans Seite war mir immer schnuppe, aber Zeichner Cliff Chiang hat sich jahrelang hingesetzt und sich eine eigene Version geschrieben, in der er ironisch mit dem Selbstbild der Heldin umgeht und ein cooles Altersabenteuer entwickelt.

DC: THE NEW FRONTIER

Hat mich bei der Erstlektüre begeistert und muss unbedingt wiedergelesen werden. Zeichner Darwyn Cooke, der hier auch als Autor fingiert, inszeniert 2004 eine retronostalgische Sicht auf die Hauptfiguren des DC-Universums.

Ihm gelingen ikonische Illustrationen einer freundlichen Supertruppe sowie interessant verschlungene Handlungsstränge, die auch vor heftigen Themen wie Rassismus nicht haltmachen.
(Hier also doch Superman, The Flash, Green Lantern …)

DAREDEVIL

In guter Erinnerung ist mir eine Jugendlektüre: Frank Miller pimpt die Figur 1981 mit der Erfindung der Ninjakriegerin Elektra und belebt das Franchise mit THE ELEKTRA SAGA, ELEKTRA ASSASIN  (Artwork Bill Sienkiewicz) und ELEKTRA LIVES AGAIN.

DOCTOR STRANGE

Ich akzeptiere nur den Lauf von Autor Jason Aaron mit Zeichner Chris Bachalo aus dem Jahr 2015. Der hat mich vom Start weg gefesselt mit seiner Mischung aus substanziellem Schrecken und origineller Lockerheit.

DOOM PATROL

DCs wildester Haufen: Von den Anfängen in den 1960er-Jahren an geschahen in diesen Abenteuern einer Gruppe von „Superfreaks“ Dinge, die man als halbparodistisch bezeichnen muss.

Die DOOM PATROL erlebte ihre skurrile Blüte unter Autor Grant Morrison ab 1989, der dem Team um Robotman die multiple Persönlichkeit Crazy Jane, den Charles-Atlas-Verschnitt Flex Mentallo sowie den lebendigen Straßenzug Danny the Street hinzufügte.

Diesen Lauf bekommen Sie als 1.300-Seiten-Klotz im Print (auf Deutsch bei Panini); interessant fand ich auch die neueste Auflage der Serie von 2024 namens UNSTOPPABLE DOOM PATROL.

(Leider finde ich die Fernsehumsetzung, obwohl sie den richtigen Spirit transportiert, entsetzlich lahmarschig.)

HAWKEYE

Wohltuend „un-super“ sind die Kriminalgeschichten mit viel Alltäglichkeit, die Autor Matt Fraction dem Charakter dieses Bogenschützen 2013 angedeihen lässt.

Dazu gesellt sich kongeniales Artwork von David Aja, das sich dem üblichen Supermenschengewusel durch künstlerische Nüchternheit entzieht.

JESSICA JONES

War 2001 der erste Beitrag in Marvels „Max“-Reihe mit erwachsenen Inhalten.

Dieser Noir-Krimi um eine ehemalige Superheldin ist ein Meilenstein des intelligenten Supermenschencomics.

Wirkt spröde, wird aber von Autor Brian Michael Bendis auf jeder Seite auf den Punkt gebracht.

LOBO

Wieder eine Figur, die man eigentlich nur parodistisch verstehen kann. Doch DC zieht die Nummer durch und behauptet, es gäbe da diesen außerirdischen apokalyptischen Reiter namens LOBO.

Der ist als Rocker angelegt, was schon absurd genug sein könnte. Doch dann flucht er noch und frönt sinnloser Gewalt, was alles Regelverstöße gegen die DC-Hausordnung darstellen.

Kann ich mir von Zeit zu Zeit geben. Großer Artikel kann geklickt werden:

MOON KNIGHT

Dieser obskure Charakter, eine Art Batman-Verschnitt von Marvel, erlebt eine Renaissance.

In den letzten zehn Jahren haben interessante Kreativteams ihre Finger dran (Bendis, Lemire, Ellis, Bunn) – und ich las eine wirklich gute Miniserie im englischsprachigen Tradepaperback.

Glauben Sie, ich bekomme in dem ganzen Supergewusel ermittelt, welche es war?!
Doch hab’s gefunden, es ist MOON KNIGHT: FROM THE DEAD von Warren Ellis und Declan Shalvey – supergut!

MS. MARVEL

Absolut zauberhaft finde ich diese Kreation einer jungen, zeitgemäßen Superheldin: Mit Kamala Khan schuf Autorin G. Willow Wilson eine junge Frau, die sich erst mal orientieren muss. Im Leben und in der Gemeinschaft der Supermenschen.
Noch dazu ist sie Muslima und hat Stress mit ihrer Familie.

Ich habe hier ausführlich über MS. MARVEL geschrieben und nehme mir erneut vor, mehr davon zu lesen – denn es gibt über ein Dutzend Sammelbände mit ihren Geschichten.

POISON IVY

Auch das eine Figur, die mir prinzipiell suspekt ist. Diesen Männertraum von der Blumenfrau bzw. die Angstvision von der Kräuterhexe dachten sich Kerle bereits 1966 als Batman-Gegenspielerin aus.

Doch nach mehreren Metamorphosen versetzt die gerade erwähnte G. Willow Wilson den Charakter in unsere bedrohte Gegenwart und macht aus dem Mauerblümchen eine  Ökoradikale, die der Menschheit eine kalte Schulter zeigt (s. Abb.).

PUNISHER

Ich sage mal abschätzig, dass das Meiste, was unter diesem Label veröffentlicht wurde, generischer Krawall sein dürfte. Aber dann gibt es da noch Autor Jason Aaron, der sich mit PREACHER-Zeichner Steve Dillon zusammentat, um 2010 einen Lauf von 22 Heften abzuliefern, der es in sich hat.

Diese kurze Serie ist die ultimative Abrechnung mit der Figur des Frank Castle, eine ultrabrutale Storyline, nach der nichts mehr kommen kann und alles gesagt ist.
Der PUNISHER tritt dem Kingpin, Bullseye und Elektra gegenüber und geht dabei durch die Hölle. Es wird ihm alles genommen, bis er am Ende vor den Phantomen seiner Vergangenheit kapitulieren muss. Heftig, aber nur logisch zu Ende gedacht.

Ich habe dazu ein Reel auf Instagram gepostet.

SAVAGE DRAGON

Supermenschenmüll aus den frühen Image-Jahren. Erik Larsen dachte sich einen Hulk mit Schwimmflosse auffem Kopp aus, um mit dieser Figur überbordende Tableaus sich prügelnder Supertypen zu illustrieren.

Ich nenne diesen typischen Stil der 1990er-Jahre „hypertroph“: Muskelberge, Haarmähnen, Waffenarsenale, keine weichen Formen.

Ich schau da rein, um gepflegt meine Haarmähne schütteln zu können. Manchmal muss man sich anschauen, welche Exzesse das Genre hervorgebracht hat (die Neunziger!).

In Deutschland veröffentlicht der Zauberstern-Verlag alle Abenteuer von Beginn an in Magazinform.
Die Handlungen der Serie sollen im Fortgang ziemlich crazy werden, so weit bin ich allerdings noch nicht vorgestoßen …

SEVEN SOLDIERS OF VICTORY

Und nochmal Grant Morrison, die Nemesis von Alan Moore. Diese episodisch gestrickte Serie verfolgt diverse (und recht abseitige) Superfiguren, die ganz zum Schluss zueinanderfinden.

Klarion the Witch Boy trifft auf Mr. Miracle und Frankensteins Monster?! Wilder Kram!

SPECTRE

Diese Gottfigur ist ein kackalter Comic von 1940 und eigentlich nicht ernstlich zu bespielen.
Im Golden Age formte sich The Spectre aus dem verstorbenen Polizisten Jim Corrigan, der als allmächtiger Geist wiedergeboren wird, Rache übt und sogar Mitglied des ersten Superteams, der JUSTICE SOCIETY OF AMERICA, sein darf.

Alles Unfug, aber dann stieß ich auf einen Blog (leider nicht mehr online), der den SPECTRE-Run von 1992 präsentierte und feierte: Autor John Ostrander und Zeichner Tom Mandrake machen aus dem ollen Gespenst eine wuchtige Serie über Schuld und Vergebung, die mich wirklich gepackt hat.
(Es ist mal wieder einer dieser katholischen Comics, die ich immer propagiere …)

Tatsächlich habe ich mir diese 30 Hefte stückweise im Netz zusammengekauft, ein Wahnsinn, den ich nie wieder unternommen habe. Inzwischen gibt es eine englischsprachige Omnibus-Fassung, auf Deutsch ist das Werk nie erschienen.

SUPERGIRL

Autor Tom King präsentiert in seiner Miniserie eine interessante Partnerschaft zweier ungleicher Frauen, lost in space.

THE VISION

Nochmal Tom King, dieses ist sein vielleicht beachtlichster Wurf.
Seine 12 Hefte über einen Marvel-Charakter aus der zweiten Reihe (den 2015 kaum jemand auf dem Schirm hatte) setzten neue Maßstäbe für die Psychologisierung von Supermenschen.

Der Android THE VISION möchte seine Menschlichkeit beweisen und konstruiert sich ein Familienleben in der Vorstadt – samt künstlicher Frau und selbst gebastelter Kinder!
Doch die Integration der Neuankömmlinge gerät zur Katastrophe

Als „Marvel Must-Have“-Gesamtausgabe noch bei Panini lieferbar.

WATCHMEN

Der Klassiker, der einen düsteren Blick auf Supermenschen wirft. Sollte man mal gelesen haben. Ich finde Autor Alan Moores LEAGUE OF EXTRAORDINARY GENTLEMEN besser!

Ebenfalls empfohlen sei seine esoterische Heldin PROMETHEA.

Schlussbemerkung:

Ihnen wird aufgefallen sein, dass meine Auswahl die Randbezirke des Supermenschentums ausleuchtet. Wie gesagt, Superkräfte kann ich nicht ernst nehmen.

Dennoch bereiten mir die genannten Werke große Freude, sie bereichern unbedingt meine Comicleidenschaft.

Des Weiteren habe ich etliche Supertitel auf meinem Wunschzettel. Ich nenne davon noch ein paar und werde im Lauf der Monate diesen Artikel erweitern – wenn mich die folgenden Comics überzeugen können:

WONDER WOMAN und BLACK CANARY von Tom King, mehr ABSOLUTE BATMAN von Scott Snyder, der THUNDERBOLTS RED OMNIBUS, DAREDEVIL von Charles Soule, THE NEW GODS von Ram V. und der PLASTIC MAN von Christopher Cantwell.

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