So aktuell war ich noch nie mit einer Supermenschenheftchenlektüre. Ich les ja fast keine Supermenschenheftchen, aber dieser BATMAN-Run lief in den USA vom September 2022 bis November 2024 (und zwar in den „Detective Comics“ Nr. 1062 bis 1089).
Panini Comics bringt die Rutsche jetzt in fünf Sammelbänden, deren erster vor Kurzem erschienen ist. Interessiert hat mich die Chose wegen des dunklen Themas (das tüchtig auf Horror setzt) und wegen der Autoren:
Ram V. habe ich auf dieser Webseite mit RARE FLAVORS präsentiert, Simon Spurrier mit seinem HELLBLAZER-Relaunch sowie dem HELLBLAZER-Klon DAMN THEM ALL.
Das kann was werden, zumal am Artwork Rafael Albuquerque ins Boot steigt, der AMERICAN VAMPIRE verantwortet hat (dort hat auch der stilistisch ähnliche Sean Murphy gearbeitet).
Also Vorhang auf für einen BATMAN-Comic, der in wohliger Dunkelheit spielt und nie das Licht der Sonne sieht:


Wham, bam, thank you, mam.
Jetzt rede ich schon wie ein Fanboy, der ich doch nicht bin.
Ich hab ja keine Ahnung, was es historisch mit den Figuren auf sich hat, die sich in diese Gothamer Nacht schleichen: Talia al Ghul ist dabei (mit der Bruce Wayne einen Sohn namens Damian hat?), neuer Commissioner ist Renee Montoya und Harvey Dent alias Two-Face tritt auf, der jedoch von seiner Schizophrenie geheilt ist (und seine zerstörte Gesichtshälfte mit einer goldenen Maske bedeckt?).
Ist mir im Grunde auch egal, solange ich mit originellen Ideen und gruseliger Stimmung gut unterhalten werde. Und das leistet GOTHAM NOCTURNE fraglos.
Ein neuer Schrecken überfällt die leidgeprüfte Metropole, als die „okkulte Familie Orgham“ die Stadt betritt und in ihre Macht bringen will.
Diese Vögel scheinen Dämonen zu sein und hatten Gotham in seinen Gründungstagen bereits schon einmal in ihrem Klammergriff – hier die Geschichte:



Amadeus, Amadeus? Rock me, Amadeus!
Wat? Amadeus Arkham ist mir neu, klingt aber witzig. Denn Musik kommt auch zum Tragen in Form einer gespenstischen Melodie, die über Gotham erklingt und die Kreaturen der Orghams zu steuern scheint.
Nach dem Kampf vom Beginn des Abenteuers liegt Bruce Wayne geschwächt in seiner Höhle und hängt fiebrigen Visionen nach: Eine monströse Fledermaus erscheint ihm und möchte ihm einreden, er sei ein Fledermonster namens Barbatos.
Das kapier ich zwar nicht die Bohne, aber der Comic fängt ja erst an und darf mich ruhig verwirren:


Auf solch bildgewaltige Weise lasse ich mich gerne verstören, denn GOTHAM NOCTURNE ist mehr Mystery- als Superheldencomic und gönnt uns keine Verschnaufpause.
Harvey Dent übrigens ergeht es nicht besser. Er wird von den Agenten der Orghams vergiftet und re-traumatisiert.
Eigentlich wollte man ihm „nur“ eine dämonische Stimme einpflanzen, doch in Harveys Unterbewusstsein erwacht Two-Face und beginnt erneut, mit ihm zu diskutieren.
(Schöner Dreh dabei: Seine ursprüngliche Schizophrenie scheint ihn immun gegen die Einflüsterungen der Orghams zu machen!)

Du machst mich verrückt
Diese Szenen mit Two-Face bringen auch psychedelische Elemente in diesen Comic, wie ich sie von Autor Ram V. geradezu erwarte.
Als Künstler mit indischen Wurzeln hat er bereits Mythologien in seinen Werken eingesetzt und bringt somit eine neue Farbe in den BATMAN-Kosmos.
Der erste Sammelband (von projektierten fünf) ist erst die Exposition dieses Dramas, ich kann noch gar nicht viel sagen.
Außer dass ich’s bisher klasse finde – wie gesagt: Ein Horrorcomic in meinen Augen, der eine Menge verspricht.
Reden muss ich zum Abschluss über die spezielle Struktur von GOTHAM NOCTURNE. Die von mir angerissene Auftakthandlung nennt sich „Ouvertüre“.
Jeder Teil derselben wird konterkariert von einer „Coda“, einem Subplot um den alten Commissioner Gordon, der eigenen Ermittlungen nachgeht und in den Ruinen des Arkham Asylum einen jungen Mann mit übernatürlichen Fähigkeiten findet:

Sie sahen, wie dieser Kämpfer ohne Erinnerung einen infizierten Helfer der Orgham-Sekte ausschaltet.
In kommenden Heften wird sich die Coda in die Ouvertüre integrieren – und das Konzert kann richtig losgehen.
Das ist eine dramaturgische Spielerei, die etwas verschnöselt ist. Ließe sich auch geradeaus erzählen, aber die Kreativen wollen damit ein Skriptfeuerwerk abfackeln.
Autor der „Coda“ ist nämlich nicht Ram V., sondern der ko-gelistete Simon Spurrier, der (so zeigen meine Recherchen) die Serie schnell wieder verlässt.
Ein neuer Back-up-Comic kommt von Dan Watters (der mit LUCIFER unter Beweis gestellt hat, ebenfalls ein Liebhaber verschlungener Mystery-Narrative zu sein).
Bin mir nicht sicher, ob der in der deutschen Fassung enthalten sein wird …
Schnell geurteilt: GOTHAM NOCTURNE ist einen Blick wert – und wer Horror mag, ist danach vielleicht angefixt.
Jetzt hoffe ich, dass es bei Panini nicht Jahre dauert, bis die weiteren vier Bände raus sind.
Für ein zusätzliches Suchterlebnis blättere ich auf Instagram in den Comic hinein.