Tillmann schaut: GET OUT

Ich sach nix, ich verrate nix, ich zeige Ihnen nicht mal den Trailer.
(Schauen Sie sich auf keinen Fall den Trailer an, er verrät schon alles, nicht tun!)

GET OUT ist ein fabelhafter Überraschungsfilm, über den Sie so wenig wie möglich wissen sollten, bevor Sie ihn sehen – und das sollten Sie.

Es beginnt ganz harmlos: Der Afroamerikaner Chris und seine weiße Freundin Rose fahren aufs Land, wo Chris seinen potenziellen Schwiegereltern vorgestellt werden soll. Vater Dean ist Arzt, Mutter Missy ist Psychologin und Bruder Jeremy ist Student. Die Familie gibt sich liberal und der Problematik zwischen Schwarz und Weiß gegenüber aufgeklärt, beschäftigt jedoch zwei schwarze Bedienstete.

Die Gutmütigkeit in Person: Daniel Kaluuya als Chris.

 

Diese beiden, Georgina und Walter, verhalten sich Chris gegenüber seltsam und auch die anderen werden leicht übergriffig: Die Mutter zwangshypnotisiert ihren Schwiegersohn, um ihm das Rauchen abzugewöhnen und Vater Dean führt Chris auf eine Gartenparty mit irgendwie unheimlichen, alten, weißen Menschen. Nur Freundin Rose hält Chris den Rücken frei und glaubt seinen allmählich auftretenden Verdächtigungen

Eine Partnerin ohne Vorurteile, aber mit Hund: Allison Williams als Rose.

 

Mehr verrate ich nicht. Nur, dass GET OUT brillant geschrieben, geschnitten, inszeniert ist und mit hammerguten Performances all seiner Darsteller erfreut.

Immer ein Tässchen Tee für den Besucher: Bradley Whitford und Catherine Keener als Schwiegereltern.

 

Das Werk war einer der Überraschungserfolge und Kritikerlieblinge des Jahres 2017, völlig zu Recht. Er räumte den Oscar für das beste Originaldrehbuch ab und war auch im Rennen für die beste Regie, den besten Film und den besten Hauptdarsteller – ebenfalls alles völlig zu Recht.
Dem Film- und Regie-Debütanten Jordan Peele ist mit seinem GET OUT eine hinreißende Horrorkomödie aus ‚schwarzer Perspektive‘ gelungen, die erst in der letzten Viertelstunde gewalttätig und blutig wird.

Drehbuchautor und Regisseur Jordan Peele.

Peele hat sich tüchtig von Klassikern wie SHINING und DIE FRAUEN VON  STEPFORD beeinflussen lassen und baut kleine Reminiszenzen an diese Filme ein. Das verrät uns sein Audio-Kommentar, für den Sie sich Zeit nehmen sollten, GET OUT ein zweites Mal auf DVD schauen und staunen, wie feinfühlig und hintersinnig der Film komponiert ist.

GET OUT ist ein ‚schwarzer Film‘: nicht nur realisiert von und mit Afro-Amerikanern, sondern auch bitterböse und geprägt von einer Ironie, wie sie dunkler nie war.

Natürlich ist es auch ein politischer Film. Schwarz begegnet Weiß, die Machtfrage steht im Raum, wird auf vielen Ebenen ‚dekliniert‘, wenn man so will, und malt das Bild einer neuen Form von Sklaverei an die Wand.

Eine letzte Anmerkung: Mich als Freund alter Horrorcomics hat es sehr belustigt, dass die Auflösung der Seltsamkeiten mit einem tiefen Griff in die alte Mad-Science-Kiste bewerkstelligt wird!

(Say no more, aber was da gegen Ende im Keller über die Bühne geht, ist nach heutigen Standards nicht besonders glaubhaft und im Grunde lächerlich. Das betont jedoch den popkulturellen Spaß von GET OUT und verweist auf die sehr viel relevantere Metaphorik des Films.)

Familienschwatz auf der Terrasse, rechts im Bild Betty Gabriel als Haushälterin Georgina.

Ich finde, GET OUT ist für jede und jeden etwas!

 

Es ist weniger ein Horrorfilm als vielmehr eine schräge Komödie, ein origineller Spannungsfilm mit tollen Aspekten, die lustig durcheinander purzeln und ins Gegenteil kippen: RomCom, Familiendrama, Survival-Abenteuer, Buddymovie, Gesellschaftskrimi, Splatter-Action.

Der deutsche Wikipedia-Eintrag zu GET OUT analysiert auf ziemlicher Länge noch Überlegungen zu „Genrebestimmung“, „Versteckter Rassismus“, „Ermächtigung des schwarzen Körpers“ sowie „Die Gartenparty als Angstraum“ – lesenswert (natürlich nur NACH der Betrachtung des Films!).

Jetzt stifte ich hintenraus doch noch einen YouTube-Clip, aber nichts zu GET OUT, sondern Body Counts Titelthema „Body Count“ – für mich DIE Hymne der schwarzen Wut.
„God damn, what‘s a brother gotta do to get a message through to the Red, White and Blue?!“