Eskapistischer Mumpitz, wie ich ihn liebe. Nicht einen Funken an Glaubwürdigkeit enthält diese abgeschlossene Miniserie. Überhaupt gar nichts ergibt irgendeinen Sinn in diesem US-Comic. Und beides juckt mich nicht die Bohne.
GEIGER ist ein Paradebeispiel für gute Unterhaltung, sogar mit etwas Tiefgang.
Natürlich lädt das Genre der Dystopie zu Phantastik ein, das freut uns ja auch. Hier befinden wir uns in Nevada im Jahr 2050, genau 20 Jahre nach einem unerklärten Krieg, der die Welt nuklear verseucht hat.
Überlebende haben sich in die Hotels von Las Vegas geflüchtet und in den dortigen Casinos Parallelgesellschaften errichtet: Im „Camelot“ tagt ein verrückter, machthungriger König mit seiner mörderischen Tafelrunde ritterhaft gewandeter Söldner. Im Dschungelresort versammelt Safari Bob seine Mannen, im „Manhattan“ regiert Ragtime-Darling Bonnie Borden mit ihren Gangstern und in der Piratenbucht hat Goldbeard sein Versteck aufgeschlagen.
Katalysator des Geschehens ist der König auf Camelot, der an der Absturzstelle von Air Force One draußen in der Wüste nach dem Atomkoffer des Präsidenten suchen lässt. Mit der Kenntnis aller Lagepläne von Atomwaffen möchte er seine Macht ausbauen.
Im Weg steht (wie wir gehört haben) ein geheimnisvoller „radioactive man“, ein Phantom in der Wüste. Ein Mann, der sich ohne Schutzanzug in der verstrahlten Welt bewegen und sich bei Gefahr in eine grell leuchtende Bombe verwandeln kann!
Darf ich vorstellen? Tariq Geiger, die Hauptfigur. Ein Mann, der durch radioaktive Strahlung nur noch stärker wird (anstatt zu krepieren). Offenbar ist Geiger immun gegen nukleare Verseuchung, weil er als Krebspatient mit Gamma-Strahlung behandelt wurde.
Dann kam der Krieg und Geiger mutierte zur fleischgewordenen Atombombe. Er kann sich jedoch „entschärfen“, indem er zwei lange Schlagstöcke in einem Rucksack deponiert. Zieht er diese Sicherung, geschieht Folgendes:
Angereichert (tschuldigung, Atomwitz) wird die bis jetzt dünne Handlung durch zwei tragische Komponenten. Erstens hat Geiger damals seine Familie in einen Schutzbunker führen können, vor dessen Türe er seither wacht.
Als er bei einem Scharmützel mit dem König und seiner Armee feststellt, dass dort unter der Erde niemand mehr lebt, bricht seine Welt zusammen.
Zweitens findet er Trost und eine neue Aufgabe, indem er die Waisenkinder Hailee und Henry zur Militäreinrichtung NORAD begleitet. Die beiden sind kurzzeitig im Besitz des Atomkoffers, den sie aus Las Vegas herausschmuggeln konnten.
In folgender Sequenz bringt Geiger die Kinder über Nacht in einem Motel unter.
Thema der Szene ist Geigers „atomic dog“ …
GEIGER ist höchst effektiv konstruiert und taktet seine Handlung in sechs Kapiteln clever durch:
Vorstellung Geiger mit Origin Story (1);
König und Ritter suchen Atomkoffer, Kinder stehlen ihn, Geiger rettet sie (2);
Flashback mit erster Konfrontation, Verlust der Familie (3);
Flucht mit den Kindern, eingestreuter Action-Exkurs mit Organjäger-Zombies nach Mad-Max-Manier (4);
Ankunft in NORAD, vermeintliche Sicherheit (5);
erneute Flucht und erneute Konfrontation mit dem König (6).
Leuchtende Unterhaltung
Ich hab es eingangs gesagt: GEIGER ist pures Entertainment. Kein Stück realistisch, pure Behauptung. Ein Mann als Atombombe, Ritter im Casino, Kinder mit Abschuss-Codes? Alles Mumpitz! Aber mit starken Figuren griffig erzählt und in hinreißendem Hyperrealismus illustriert.
GEIGER versteht sich auch als „urban legend“ für ein ent- oder unzivilisiertes Zeitalter; eine gruselige Geschichte, die man sich am Lagerfeuer erzählt.
Tatsächlich ist das der Rahmen dieses Comics: Zwei Männer, nachts allein in der Wüste, schildern sich die Legenden um den „glowing man“.
Dieser Rahmen scheint mir überflüssig, passt aber in ein größeres Konzept: Autor Geoff Johns (Schreiber zahlloser Supermenschen-Serien wie auch des WATCHMEN-Crossovers DOOMSDAY CLOCK) und Zeichner Gary Frank nämlich haben sich einen detaillierten Kosmos erdacht für ihre neuen Figuren.
Auf GEIGER sollen weitere Bände folgen, teilweise mit Charakteren, die wir schon zu sehen bekommen haben!
Den schmissigen Auftakt jedenfalls gibt es im Sommer auch auf Deutsch bei CrossCult, wie es ausschaut …
Im Blättervideo zeige ich, was die beiden Kreativen noch im Schilde führen.