Es ist höchste Zeit, auf dieser Webseite das Lob Ingo Römlings zu singen!
Der Künstler aus Frankfurt zählt seit etlichen Jahren zur Weltklasse der Comicillustratoren und hat schon STAR-WARS-Alben zeichnen dürfen.
Mir ist er schon bei DIE TOTEN, SURVIVOR GIRL, JOKER – THE WORLD, DIE CHRONIKEN DES UNIVERSUMS und MALCOLM MAX begegnet, letztgenannte Serie sicherlich seine bekannteste Arbeit. Römlings Werke liegen zum Großteil bei Splitter vor (s. Link hier) und gehören zu den Longsellern des Verlags.
Nur ein Blick auf irgendeine seiner Seiten dürfte genügen, um die Kunstfertigkeit seiner Kompositionen, den Zauber seiner Lichtsetzung und die Eleganz seiner Figuren zu erkennen.
Wir werfen hier dennoch mehr als einen Blick … zur Feier von METROPOLIA, Römlings jüngstem Wurf, der wieder für den frankophonen Markt entstanden ist – diesmal in Kollaboration mit dem Autoren Fred Duval.
Hauptfigur ist der Privatermittler Sascha Jäger, der in einem futuristischen Berlin des Jahres 2099 Aufträge für Eva, die Polizeichefin dieser „Metropolia“, erledigt.
Die setzt ihn an auf eine Attentäterin, die auf einer Auktion einen Industriellen erschossen hat. Deren Spur führt in das Hochhaus „Florian“, wo sie sich versteckt halten könnte.


Beachten Sie im Bildbeispiel schon einmal Römlings Kunst der Räume, der Vorder- und Hintergründe, die perfekt aufeinander abgestimmt sind.
Seine Kameraperspektiven sind sehr cineastisch, aber stets zielführend und passen sich organisch der jeweiligen Szene an.
Getarnt als Architekt, der im Haus Renovierungen durchführen soll, schnüffelt sich Sascha durch die Etagen und hat Begegnungen, die so interessant wie amüsant sind.
Mit der kessen Fahrradkurierin Martha Müller, mit dem lakonischen Hausmeister Keaton, mit einem abgeklärten Bezirkspolizisten und seiner defekten Androiden-Assistentin und schließlich mit dem Vermieter und Bauherren: Hans Weber.


Dieser Greis ist ein bisschen „creepy“ und weiß garantiert mehr, als er preisgibt.
Saschas Tarnung jedoch hält stand und der Ermittler kann ein beruhigendes Gespräch mit seiner Partnerin Alif führen.
Dazu zeige ich nun zwei Seiten, die uns die Welt der Zukunft clever ausmalen. Der virtuelle Raum, in dem die beiden sich treffen, ist ein krasses Gegenbild zur Berlin-Realität aus Beton: In einem wunderschönen, lichtgrünen Laubwald tauschen sich Sascha und Alif über den Zustand der Welt aus.

In ihren Kommentaren erkennen wir Anspielungen auf unsere Gegenwart (Naturkatastrophen, Migrationsbewegungen), dann bricht Römling die Szene und präsentiert uns aus einer Vogelperspektive, wie Sascha verkabelt in seinem Apartment liegt und mit Alif Cybersex hat.

Das inszeniert Römling äußerst dezent und nur andeutungshalber.
Achten Sie auf dieser Seite auch auf das Licht, das im Wald erst durch die Blätter fällt, in der Wohnung hingegen durch die Läden vor den Fenstern.
Dieser „Ausflug ins Grüne“, dieser Exkurs, setzt einen gekonnten Schockmoment, denn im Rest des Albums kommen wir aus der grauen Berliner Steinwüste nicht mehr raus.
Auf der Suche nach dem Wartungstechniker Stein macht Sascha kurz darauf eine scheußliche Entdeckung, als er sich in dessen Apartment hackt: Der Mann ist tot.
Fünf Panels, von denen das mittlere durch einen Gegenschnitt im Gegenlicht besticht:

Mitmieterin Martha verklickert Sascha, dass im „Florian“ ein Betrug läuft. Die Schrittsensoren der Treppen berechnen den Mietern nicht sämtliche Schritte. (Physische Bewegung ist eine Währung in dieser verkehrskollabierten Zukunft.)
Es verdichten sich die Hinweise und schließlich hat Sascha ein Rendezvous mit dem künstlichen Bewusstsein des Hauses, das ihm erklärt, es wolle sich nur gegen Spekulanten wehren und hat deshalb den Mord vom Anfang veranlasst.
Klingt ein bisschen spinnert, aber wieso nicht? Sogenannte Smart Homes können mir schon heute alle Geräte fernsteuerbar vernetzen. Und wahrscheinlich bald auch den Kühlschrank sperren, sobald ich genug Kalorien für den Tag aufgenommen habe.
Das kriminelle Bewusstsein versucht, Sascha auf seine Seite zu ziehen. Als der ablehnt, reagiert die Gebäude-KI pampig – und wirft mit Geschirr!
(Ich verstehe die obersten Bilderreihen in der Tat wie einen Gag, und schauen Sie auf das lustige Panel unten links, dann aber wird es ernst und Römling jagt seine Hauptfigur auf den Fenstersims.)

Zugleich erleben wir den Künstler hier als Liebhaber von Soundwörtern, die er übrigens für jeden Einsatz speziell designt und in der passenden Lautstärke über die Seite verteilt.
Ein Hauch von John Difool
Ich konnte bei der Lektüre Assoziationen an den Klassiker INCAL nicht abschütteln.
(Wer meine freche Abrechnung damit lesen will, klicke hier.)
Ein selbständig agierender Ermittler in einer architektonisch beeindruckenden Zukunftsstadt?! Cops, Robo-Cops und groteske Technik?! Dazu diese legere Erzählhaltung, die nicht alles unbedingt ernst nimmt?!
Ich finde es schön, dass Duval und Römling diese hintergründige Hommage einfließen lassen. Ein netter Bonus für altgewordene Comicfans. :- )
In der Leseprobe von METROPOLIA auf der Splitter-Homepage erkennen Sie des Weiteren noch die fein abgestimmte Kolorierung, die von Szene zu Szene auch sinnfällig kontrastiert.
Das Finale des in sich abgeschlossenen Albums verrate ich natürlich nicht, aber es wird noch einiges geboten!
Zum Schluss zeigen will ich die letzte Seite, die erneut beweist, wie berauschend Römling Räume auch komprimieren kann: Durch das Brandenburger Tor schauen wir auf die Prachtstraße „Unter den Linden“, in der Ferne grüßt der Fernsehturm – und dazwischen und dahinter erhebt sich futuristische Architektur.
Janz Balin is eene Smogwolke!

METROPOLIA ist ein praller Science Fiction-One-Shot mit wohligem Noir-Feeling – in Buuuuunt!
Übrigens könnte dieses Album der Auftakt zu einer Serie sein, man wird die Verkäufe abwarten. Hoffentlich läuft’s gut, ich würde mich freuen.
Wer noch mehr von Römlings Meisterschaft sehen möchte, kann meine Instagram-Reels der Woche ansteuern, die ebenfalls ein größeres Bild davon vermittelt.