Na, aber hallo! Da wagt sich ein deutsches Team an eine großangelegte Horrorkomödie in Comicform – und macht alles richtig!
Autor Matze Ross fertigt ein originelles (und durchaus komplexes) Skript und der Hannoveraner Illustrator Jan Bintakies liefert eine sagenhafte grafische Umsetzung dazu.
Hier ist ein Comic aus deutscher Produktion, der international mithalten kann. Das freut uns doch mächtig. Infos und Leseprobe auf der Verlagsseite bei Splitter, aber wir schauen natürlich auch hinein …
Es ist Karneval in Köln. Zeit der Ausgelassenheit und schräger Vorkommnisse. Doch was in dieser Session im Schatten des Doms geschieht, spottet schon bald jeder Beschreibung.
Luca Stoffels heißt unsere Hauptfigur – und die ist nicht die hellste Kerze auf der Torte. Luca feiert gerne und macht mit Frauen rum, Drogen sind gerne auch im Spiel.
Er führt eine On-Off-Beziehung mit der verrückten Lilly, die übrigens als Teilzeit-Domina arbeitet. Das Verhältnis der beiden wird sehr schön auf dieser Comicseite erklärt. In einem Flashback taucht Luca mit seinem Kumpel Kevin in die Szenerie ein und beobachtet sich selber auf der Restaurant-Galerie von oben:
Lillys Reaktion sagt viel über ihren Charakter aus, gleichzeitig ist die Phrase „Wir bleiben zusammen … für immer“ schon Ansage des folgenden Geschehens, in dem es um nichts weniger als die ewige Verdammnis gehen wird.
Dummerweise hat Luca nämlich Ärger mit seinen osteuropäischen Drogenlieferanten, dem Pärchen Ante und Nada Tomic. Er ist in Geldschwierigkeiten, also nimmt er das Angebot eines merkwürdigen Fremden an: Benedikt Bosch gibt Luca 6.000 Euro für einen Handschlag. Dieser Handschlag aber hat es in sich, verdammt!
Bosch hat Luca nämlich einen Fluch transferiert. Der Dämon Faffnir hatte mit Bosch einen Teufelspakt geschlossen, der in genau 24 Stunden abläuft. Dann holt Faffnir Boschs Seele – oder die Seele dessen, der dumm genug war, den Pakt zu übernehmen.
Jetzt sitzt Luca mächtig in der Tinte: Lilly ist mal wieder sauer auf ihn, weil er an Karneval mit der blonden Janice rumgemacht hat; die Tomics wollen seiner habhaft werden; Bosch selber würde ihn gerne bis zum „Vertragsschluss“ einsperren, damit nichts schief gehen kann – und der Dämon Faffnir materialisiert sich, klebt an seinen Hacken und zählt genüsslich die Zeit bis zur Höllenfahrt herunter:
Luca reagiert erst mit Verleugnung, dann mit Gewalt, dann mit Resignation. Als noch acht Stunden übrig sind, hat er mehr Glück als Verstand, denn Lilly ist in ihrer versöhnlichen Phase angelangt und hilft ihrem Männe aus der Patsche.
Sie übernimmt aus freien Stücken den Teufelspakt und hat Luca damit erlöst. (Der übrigens findet nicht mal Zeit, sich zu bedanken, weil er soeben eine SMS von Janice bekommt, die mit ihm fremdgehen will!).
Da wir allerdings erst in der Mitte des Albums angekommen sind, darf ich verraten, dass Lilly (siehe unten) ihre Nonchalance noch bereuen wird. Ihr Plan zum weiteren Transfer des Pakts wird einen Haken haben …
Bosch hat sich inzwischen mit den Tomics verbündet, um Luca aufzuspüren. Außerdem geht er eine Lebensversicherung ein, indem er aus der Hölle die Dämonin Frigg beschwört, die ihm gegen Faffnir zur Seite stehen soll – falls der Deal noch aus dem Ruder laufen sollte.
Ja, das sind eine Menge Eventualitäten, die Autor Ross hineinfabriziert. Aber er weiß die dramaturgischen Bälle, der er jongliert, auch wieder aufzufangen. Also freuen Sie sich auf ein wortwörtliches Höllenspektakel, das noch einige Wendungen bereithält.
Dass EIN VERDAMMTER HANDSCHLAG kein Kindercomic ist, wird spätestens ab Seite 57 klar, wenn erste Tote den Weg der Verdammnis zu säumen beginnen. Ausgerechnet im Kölner Dom schwingt der Dämon Faffnir seine höllische Sense!
Der sich anschließende Bodycount darf als Referenz auf wilde Splatterfilme verstanden werden – auch solch deftige Aspekte des Horrors bedient dieser Comic.
Bosch hat sich in St. Ursula verschanzt, um dort die Dämonin Frigg zu beschwören. Eine empörte Nonne regt sich darüber auf, aber nur für kurze Zeit …
Ich mag Teufelspakt-Geschichten. Die rufen mir selige Erinnerungen an Höhepunkte der HELLBLAZER-Reihe mit John Constantine wach (der auch seine Probleme hatte, aus diabolischen Verträgen herauszukommen).
Wobei Ross und Bintakies diesen Plot unterlaufen bzw. „kurzschalten“: EIN VERDAMMTER HANDSCHLAG erzählt nur vom Auslaufen des Pakts und davon, wer den Preis dafür zu zahlen hat.
Was der Pakt Benedikt Bosch zuvor gebracht hat, wird nirgendwo erwähnt. Es geht um die finalen Minuten irdischer Existenz und um das hektische Wechselspiel, an wem dieser „schwarze Peter“ hängenblieben wird.
Sympathie für den Teufel
Erstaunlich, dass die Figuren samt und sonders wenig sympathisch sind: Bosch ist ein undurchsichtiger Dunkelmann, Janice eine dumme Nuss, Ante und Nada sind fiese Gangster, der Kumpel Kevin (dem er auf den ersten Seiten alles erklärt) nimmt Reißaus, Lilly ist eigentlich nur übergriffig und Luca selber ist ein echter Lappen (oder Lappenclown?).
Mit fortschreitender Lektüre wurde ich eigentlich mit Faffnir am wärmsten: Der hat eine klare Mission vor Augen, benimmt sich cool und kann die Dinge mit Humor betrachten!
Faffnir lauert Luca in einem Beichtstuhl auf und rückt ihm den Kopf zurecht.
Doch Ross und Bintakies bringen ihre Geschichte so schön ins Rollen und lassen sie so beeindruckend flott kulminieren, dass die Minderbemitteltheit des menschlichen Personals für gute Fallhöhe zu den diabolischen Wesenheiten und den existenziellen Fragen des Daseins sorgt.
John Constantine hätte sich mit cleverer Spitzfindigkeit aus der teuflischen Affäre gezogen. Luca und Lilly stolpern mehr oder weniger in eine Lösung hinein – tut es genauso gut!
(Ist jedenfalls lustiger, und darum geht es schließlich.)
Der Zeichner Jan Bintakies übrigens gibt mit EIN VERDAMMTER HANDSCHLAG sein Comic-Debüt, was man kaum glauben mag. Aber so isses im deutschsprachigen Raum: Wenn jemand in jahrelanger Arbeit (nach Feierabend von seinem Broterwerb) einen Comic aus Leidenschaft produziert (und dabei von Autor und Verlag gut betreut wird), dann kann das richtig geil werden.
Betrachten wir die eben gezeigte Seite. Bosch maßregelt die Tomics mit etwas übelkeitserregender Magie. Das wird im mittleren Panel expressiv ausgestellt, dazu erstrahlt Bosch in violett-schäumendem Licht. In der letzten Bildreihe verdüstert sich die Szene und Bosch verkündet seinen grimmigen Entschluss: Ein weiterer Dämon muss gegen Faffnir in Stellung gebracht werden.
Generell erfreue ich mich am „character design“, wie man so schön sagt, an der Ausgestaltung der Figuren: Bosch als wildbärtiger Berserker, Ante als riesenhafter Fleischkloß, Nada als verhärmte Hexe mit schwarzem Lippenstift.
Bintakies mildert den Horror durch groteske Überzeichnungen ab, und das ist goldrichtig.
EIN VERDAMMTER HANDSCHLAG endet als Odd-Couple-Komödie mit Fish-out-of-water-Elementen und Guilty-Pleasure-Feeling.
(Der letzte Satz ist ziemlicher Unsinn, aber ich wollte schon immer mal einen Denglisch-Auffahrunfall im Internet verursachen. Höhö. Bäm!)
Mehr Infos und Hintergründe zu finden auf der Splitter-Podcast-Seite. Maximilian Schlegel vom Splitter-Verlag im Gespräch mit „seinen“ Künstlern (dieser Beitrag auch anmeldefrei abrufbar bei Spotify).
Und ich grinse immer wieder über den grafischen Kommentar von Timo Müller-Wegner, der als Gastkünstler im Bonusteil des Albums diese schöne Zeichnung beigesteuert hat:
Da lacht der Fachmann, und der Laie wundert sich. In Deutschland Comics zu produzieren, bleibt eine höllische Angelegenheit – und wahrscheinlich haben Ross und Bintakies die Lösung gefunden: Man braucht dafür bloß seine Seele zu verkaufen!
(Leider muss ich spoilern: Der Deal funktioniert nur in der Fantasie. Wäre auch zu einfach gewesen.)
Ich selber habe noch einen teuflischen Karnevals-Reel zu bieten, genau genommen mehr als einen: Willkommen zu meinem „Rosenmontags-Reel“ in zwei Teilen …