David Fülekis DEMON MIND GAME

Sein Eigenverlag Delfinium Prints erlaubt ihm die wildesten Experimente.
Als Fülekis Hauptwerke sind zu nennen: STRUWWELPETER – DIE RÜCKKEHR, ENTOMAN, BLUTROTKÄPPCHEN, STUDIEREN MIT RIND, DER SCHLAUFUCHS sowie 78 TAGE AUF DER STRASSE DES HASSES.
Letzteres eine abgedrehte Manga-Action-Persiflage, schwarzhumorig, metareflexiv und verkaspert; Hauptpersonen sind Fülekis alter ego „Def“ und das seines besten Kumpels, Roy Seyfert, genannt „Roy Seyfert“.

Dieser Tage erscheint bei Tokyopop der zweite Band seines aktuellen Comics DEMON MIND GAME.
Füleki zeigt sich hier als geradliniger Erzähler:
Hauptfigur Nio, ein junger Mann, tarnt sich als Dämon, um an den verhassten Dämonenkaiser heranzukommen, der seine Eltern auf dem Gewissen hat. Mittels seiner Fähigkeit des „MindGamens“ erspielt sich Nio Kampfeigenschaften, die ihn stärker machen: Er kann sich ins Hirn seiner Gegner versetzen und sich dort mit diesen duellieren.

Ein Künstler, der als InteressenSchnitzel und Pornographie (auch in Verbindung)“ angibt, verfügt über mehr Selbstironie als ein konventionelles Künstlerporträt aushalten könnte. Deshalb begegne ich dem Zeichner auch nicht mit ernsthaften Fragen.

Teuflische Hirnspiele!

Deutschlands produktivster und prominentester Mangaka, David Füleki, im Gespräch über mentale Duelle, Clowns, Maurer, Berufspolitiker, Topfschlagen und Kopfschlagen.

Du bist ein Clown, oder?

Ja, ein trauriger Clown. Mit einer symbolischen Träne im Auge. Wie man’s von diesen Bildern kennt – die, wo die Hunde Poker spielen.

In einem Talk hast du mal gesagt, du schaffst deine Arbeitsbelastung nur dank einiger für dich am Zeichenbrett schuftender „Koreaner im Keller“. Was rätst du Mangakas, die keinen Keller haben?

Eine Maurerlehre machen. Irgendwas Vernünftiges halt. Eine Arbeit, bei der etwas angeboten wird, was die Menschen immer brauchen. Brötchen, Bestattungen, Medizin, Straßen, sexy Massagen.
Comics kommen in der Bedürfnispyramide erst sehr spät; deswegen bleibt dafür höchstens noch das Kleingeld der frisch sexy massierten KundInnen übrig – eigentlich doof, seine Zukunft auf eventuell übriges Kleingeld aufzubauen.
Für diejenigen, die’s aber dennoch nicht lassen können und unbedingt weiter ihre Witzbildchen malen wollen, hier die krassen Assistenz-Tipps: „Assistenz“-Koreaner gehen ein, wenn man sie außerhalb eines Kellers hält.
Weiß jeder, der Ohbas und Obatas Bakuman oder Scott McClouds Comics machen gelesen hat. Wenn ihr also nicht ständig neue Koreaner verschleißen wollt, braucht ihr einen Keller. Und wer baut euch den? Der Maurer! BÄM!

Sehen alle Mangakas gleich aus? In Japan zumindest?

Im Jahre 2019 darf man da ja keine rassistische Antwort mehr geben – auch, wenn’s lustig und naheliegend wäre. Nein, die sehen ganz verschieden aus. Manche tragen blaue Hemden. Andere eher graue usw.
Letzten Endes sehen aber alle Manga-ZeichnerInnen weltweit gleich aus: müde.

Das erste Mind-Game beginnt. Der Gegner schlägt Nio und findet sich in eine Spiellandschaft transportiert (unten links, Manga-Leserichtung!)

 

Du hast in Japan gelebt. Welchen Fehler darf man da als Newbie auf keinen Fall machen?

Ich war ja nur recht kurz da und man kann sagen, dass ich die Zeit ohne jeden Fehler bravourös gemeistert hab. Die japanische Kultur mit all ihren ulkigen Regeln hab ich regelrecht assimiliert, sogar ein wenig geschrumpft bin ich, um unauffällig in der Masse unterzugehen. Stets gekleidet in blauen und/oder grauen Hemden.
Was man aber wirklich nicht machen darf, ist bei der Comiket (größte Comic-Convention der Welt) in der Schlange vorm Eingang (in der man selbst als Aussteller locker drei Stunden zubringt) ein Foto machen.
Dann kommt die eine einzige griesgrämige Person Japans (eine etwa 1,40m-Frau, die den Hulk in sich trägt) und macht einen vor Tausenden Otakus fertig mit ihrem Megaphon. Man versteht zwar nicht, was sie sagt, aber der Hass in ihrer Stimme geht diekt ins Herz.

Liest man in Japan überhaupt europäische Comics oder kommt man mit solch langweiligem Kram nicht klar?  

Es gibt ein paar Japaner, die sich opfern und ein paar Importe lesen, um ihren Mangaka-Kumpels grob den Inhalt mitzuteilen, damit die dann ihre Version davon zeichnen können, die eine höhere Schlüpfer-Blitzer-Rate aufweist.
Man merkt schon, dass es bei Mangas nichts gibt, was es nicht gibt – inhaltlich, stilistisch, qualitativ. Deswegen brauchen die nicht wirklich Nachschub von außerhalb.
Aber die stehen schon voll auf einige westliche Franchises: Disney-Trickfilme, Marvel-Comics, Adventure Time usw. Und davon haben die dann wieder den geilsten Merchandise-Spiddel. Japanische Spielzeugläden, ey! Krass!

 

Könntest du dir vorstellen, statt Comics zu zeichnen einen komplett anderen Beruf auszuüben? Fahrer einer Fahrradrikscha zum Beispiel?  

Vielleicht nicht als Fahrer, aber als Rikscha. Man kann meinen Körper als Sitzgelegenheit mieten. Und ich versuch dann, irgendwohin zu robben. Das wär tatsächlich gar nicht mal sooo weit weg vom Beruf des Comiczeichners.
Aber ich hatte ja auch schon viele andere Berufe. Z.B. Lehrer, Schwerstbehindertenpfleger, Straßenbauer, Fußballtrainer, Gemeindearbeiter, Maler, technische Hilfskraft in der Fakultät für Maschinenbau an meiner Uni. Etwa zu der Zeit, als ich meinen Masterabschluss machte, hab ich sogar noch für fünf Euro die Stunde Schnee geschippt.

Wieso zeichnen sich Comickünstler so gerne selber?  

Weil wir uns so geil und hübsch finden. Am liebsten zeichne ich ja meine affenartigen Arme, die immer so komisch an mir runterhängen.

Schon mal versucht, in Anzug und Krawatte zu zeichnen, so wie Will Eisner?

Will Eisner ist in der Hinsicht aber kein gutes Vorbild. Hat sich fürs Zeichnen in Schale geworfen – und wo isser jetzt?
Ich will nicht auch riskieren, schon mit 88 Jahren zu sterben, nur weil ich auf meine bequemen, versifften Schlafanzughosen verzichte. Und als Zeichner ist der einzige zwischenmenschliche Kontakt eh der zur Postfrau, die was für die Nachbarn abgeben will. Und die liebt meine Lodderklamotten.

Sag mal, DEMON MIND GAME, wie kamst du auf die abgefahrene Idee, Duelle nur im Kopf stattfinden zu lassen?  

Während der Unizeit hatten meine KommilitonInnen und ich ständig hypothetische Gedankenspiele über besondere Fähigkeiten bis hin zu Superkräften. Das fing oft mit so was Banalem an wie: „Würdest du lieber fliegen können oder wärst du lieber unsichtbar?“
Dann wurde das stundenlang bis ins kleinste Detail ausklamüsert und mit Regeln versehen.
Zu irgendwas musste es ja gut sein, dass wir uns an der Uni zu Intellektuellen haben ausbilden lassen. Am Ende waren die Fähigkeiten immer so verkopft und voller Makel, dass sie gar nicht mehr so attraktiv wirkten.
Nios MindGame-Fähigkeit aus DMG ist genau so was. Man nimmt eine Art X-Men-Mutantenfähigkeit (Skills klauen), die am Anfang so gut und nützlich klingt, dass jeder sie gern hätte – und dann müllt man sie so mit Malussen zu, bis sie eher zur Belastung wird. Dass man erst noch im Kopf des Gegners – unter Einsatz eigener Skills – eine Art Mental-Schach gewinnen muss, ist nur ein weiterer Malus.
Nebenbei isses für mich als Autor aber auch die Möglichkeit, in einem zwar fantastischen, sonst recht geerdeten Setting zumindest ausschnittweise so ziemlich alles machen und zeichnen zu können, was ich möchte. Riesige üppige Frauen, die nur aus Nahrungsmitteln bestehen zum Beispiel.

 

Was passiert, wenn ich DICH auf den Kopf schlage?

Ich geh schnell zu Boden und roller mich rum wie ein lächerlich überbezahlter Profifußballer. Unsinnigerweise halte ich mir dabei aber das Knie.

Auf Kindergeburtstagen gerne Topfschlagen gespielt?

Das war die Wendezeit. Da hatten wir keine Töpfe.
Heutzutage werd ich kaum noch auf Kindergeburtstage eingeladen. Sollte es mal mit dem eigenen Nachwuchs klappen, wäre ich vorbereitet mit ganz vielen Töpfen und Pfannen und zwei Nudelsieben, einer Küchenwaage und sogar einem Sandwichtoaster. Dann muss mir nur noch jemand die Regeln erklären.

Böse Reaktionen bekommen auf die Unkorrektheiten in 78 TAGE AUF DER STRASSES DES HASSES?

Tatsächlich gab es nur einmal negatives Feedback, weil an einer Stelle der Zynismus und die Satire doch zu weit abdrifteten. Dabei ging’s um den Subplot rund um die Obdachlosen in 78 Tage.
Die beiden Antihelden Roy und Def haben ja jeweils ihre eigene Beziehung zu denen. Def lässt sich von ihnen in Martial Arts unterweisen, Roy fackelt sie ab.
Über Letzteres beschwerte sich dann ausgerechnet ein lieber Kollege, der ironischerweise selbst für sehr krassen Stoff bekannt ist. Aber völlig okay so und definitiv keine unberechtigte Kritik.
Insgesamt wird die Serie aber gefühlt von Heft zu Heft zahmer. Im Finale wird dann wohl nur noch gebruncht, während Norah Jones einen Live-Auftritt im Bistro hat.

Du bist doch kein Clown, oder? Wir denken an deine politischen Beiträge für die SPD-Parteizeitschrift „Vorwärts“.  

Na ja, das biss’l Politik! Wenn man da erst mal drinne steckt, ist das so ähnlich wie Fußballfan sein. Man beschäftigt sich ein bisschen mit den verschiedenen Mannschaften, merkt sich ein paar der Spielernamen und macht sich drüber lustig, wenn ein Traditionsteam den Klassenerhalt verpasst.
Ich fand’s fast schon erschreckend, wie schnell man sich durch den ganzen Politzirkus inklusive aller aktuellen Fassungen der Parteiprogramme durchgearbeitet hatte – nur um dann festzustellen, dass die wesentlichen Punkte bei fast allen relevanten Parteien genau gleich waren.
Und die Befindlichkeiten der Politiker sind echt nicht zu unterschätzen!
Auch das ist wieder wie bei den Fußballern: Am besten nur sehr vage Standardantworten geben – ungeachtet der Frage. Je länger man dabei ist, desto mehr muss man aufpassen, sich in alle Richtungen abzusichern. Das deutsche Publikum ist da nämlich sehr streng und mag nicht so viel Charakter und polarisierende Individualität. Die Zeit der Mario Baslers ist vorbei …
Was aber Spaß machen kann, ist, sich mit „kleineren“ Politikern (Parteizugehörigkeit ist scheißegal) im Vieraugengespräch zu unterhalten. Die sind noch genau so schön rotzig und „street“ wie du und ich. Fast schon schade, wenn die dann den Sprung in die Bundesliga schaffen.

Das Interview führte Tillmann Courth im Jahr 2018 per Mail.

(Dieser Artikel ist eine ‚alternative version‘ des Beitrags aus COMIXENE Nr. 130; wie üblich hatte ich Spaß daran, einige andere Bilder zu zeigen und die Fragen anders auszuwerten …)

Noch ein Roy-Seyfert-Spaß aus Fülekis Eigenproduktion.