„Es herrscht ein Krieg aller gegen alle“ (Thomas Hobbes)
„Haare, Haare, den ganzen Tag Haare“ (Thomas D)
Das ist die Serie mit den Haaren. Jeder männliche Darsteller trägt eine überschulterlange Wallemähne, was mich begeistert. Ich mag Formate, in denen ICH vom Fleck weg mitspielen könnte.
Wir begleiten in VERSAILLES den „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. von Frankreich. Während sein Prachtschloss vor den Toren von Paris erbaut wird, konsolidiert er seine Macht – beraten von seinem Bruder Philippe und einem Stab wandelnder Perücken. Das 17. Jahrhundert war eine haarige Angelegenheit, wie wir lernen: Verschwörungen, Giftmischerei, Katholizismus.
Louis der Filou schwirrt von Geliebter zu Geliebter (Staffel 1 wartet mit einiger ‚nudity‘ auf), lernt aber dann in Staffel 2, dass er die Hose besser zu lässt, um mit kühlem Kopf regieren zu können. Sein kleiner Bruder ist der ewige Zweite, was diesen immer wieder explodieren lässt. Pikant: Er unterhält ein schwules Verhältnis mit dem feschen Chevalier de Lorraine. Daraus entwickeln sich Anflüge von Komik, wenn er die derb-deutsche Lieselotte von der Pfalz ehelichen und Kinder zeugen muss.
Markante Nebenfiguren sind ein kriegsversehrter Gärtner, der mit dem König Freundschaft schließt. Die berechnende Madame de Montespan, die ihn in ihren Bann zieht. Die junge Claudine, die sich autodidaktisch dem (ihr verbotenen!) Studium der Medizin widmet und die beste Ärztin am Hofe wird. Und der Musketier Fabien Marchal, der als Geheimdienstchef für Ordnung sorgen muss. Verliese und Kerker bilden den reizvollen Kontrast zu Salons und Gemächern.
(nachfolgend ein Trailer mit viel Haaren…)
https://www.youtube.com/watch?v=dYOc2jY3VqA
Die franko-kanadische Produktion nimmt sich Zeit für ihre Figuren und den Handlungsaufbau, manchmal zu viel. Ich kann mir VERSAILLES auch nur in Häppchen anschauen (eine Folge alle zwei Wochen), sonst denke ich zu sehr an Friseurbesuche. Es zieht sich ziemlich im 17. Jahrhundert, doch ich bezweifle, dass Entschleunigung die Absicht der Autoren war.
Die Handlung ist dabei eher nebensächlich (dass ich das mal schreiben würde). Es wird stolziert, es wird geritten, es wird gestarrt, es werden Menschen in den Kerker geworfen. Ich lasse mich bei VERSAILLES von der hypnotischen Stimmung treiben – ein exquisites Ennui. Mit Haaren!
Rettungslos verfallen bin ich der käsigen Titelmelodie von Michel Corriveau! VERSAILLES erlaubt es sich, einen Score von 1980er-Synthie-Klängen zu fahren. Das ist frech! Das ist verfremdende Fallhöhe. Also rasch die Haare zur Seite geworfen und die Ohren gespitzt; hier ist der Originalvorspann mit der öligen Titelmusik!
(Boah, voll Ultravox irgendwie, dreist …)
Zwei Staffeln sind im Handel erhältlich. Staffel 3 scheint in der Mache zu sein. Ich schaue VERSAILLES gerne, wenn auch sehr sporadisch, zwei Staffeln hab ich durch – und musste allerdings schlucken, denn in Staffel 2 exekutieren sie schon anfangs zwei liebgewonnene Figuren, von denen man noch viel erwartet hatte. Schock! Da kommt auch kein Ersatz nach, halt: Madame Scarron lass ich gelten (die zur platonischen Muse für den König wird).
Aber diese Serie sieht prächtig aus, Kostüme und Dekor sind verschwenderisch, angeblich teuerste ko-europäische Produktion bislang, von den Frisuren gar nicht zu reden. Lieber zeigen:
Die Akteure waren mir allesamt unbekannt, es sind auch schräge Vögel darunter. Vielleicht sind es aber auch nur die Haare, die die Männer so krass aussehen lassen:
Was mir bei VERSAILLES fehlt, ist die historische Einbettung. Diese Serie ist ja von einem Gerüst aus Fakten gestützt, aber welchen Krieg führen sie da exakt gegen wen? Und welcher Ort in der Pfalz wird vom französischen Heer verwüstet?
(Krieg gegen die Niederlande, Wilhelm III. von Oranien, Sinsheim!)
Das musste ich mir mühsam im Netz recherchieren. Aber spricht ja für die Serie, wenn man Interesse an Historie entwickelt … apropos wickeln … hier noch ein Extra-Haarbildchen: