France BD:  MAUSART

Das ist nur ein schmales Comicbüchlein von 31 Seiten (plus 17 Seiten Bonusmaterial), aber höchst entzückend!
Und es besteht auch nur aus drei Szenen: Wolfgang steht auf, spielt Klavier und wird dabei überrascht (1); Wolfgang wird gefangen und zur Aufführung verdonnert (2); Wolfgang performt bei Hofe (3) – immer noch entzückend.

Aber wer ist denn dieser Wolfgang überhaupt? Na, Mozart natürlich.
Beziehungsweise seine Inkarnation als Maus:

Ein musikalisches Mäusemärchen

Ist das nicht killermäßig allerliebst und putzig?!

Kitsch, wenn kompetent gemacht, kann mich durchaus erfreuen. Und MAUSART will auch nichts anderes sein!
Also gestaltet Zeichner Gradimir Smudja (bei Carlsen vor 20 Jahren mal mit dem Comic VINCENT UND VAN GOGH verlegt worden) mit Verve seine schwelgerischen Bilderbuchpanoramen, wobei die akkurate Architektur seiner Menschenwelt eine komische Fallhöhe zu seinen tierischen Protagonisten kreiert.

Wolfgang, das Mäuschen, lebt mit seiner Großfamilie (Vater Leopold, Mutter Anna Maria und seine sieben Geschwister) im Klavier von Hofkomponist Salieri.

Der ist in dieser Fassung ein Wolf, sein Diener Ligo ist ein dicker Kater. Salieri ist uns als zwielichtige Type und nicht allzu talentierter Musiker bereits aus dem Erfolgsfilm „Amadeus“ bekannt – und darauf baut MAUSART auch auf!

Instinktiv rufen wir ab, dass Mozart den „Hofkompositeur“ vor den Augen und Ohren des Königs bloßstellt und aussticht, und das geschieht auch hier: Die im Bild oben von Wolfgang gespielte Musik dringt in der Kutsche ans Gehör seiner Majestät, woraufhin man schlussfolgert, Salieri sei ihr Urheber.

Der aber war außer Haus, kehrt nun zornig zurück und findet Ligo mit einer Maus vor, die er soeben verspeisen will:

Ligo erklärt seinem Herren, dass es diese Maus gewesen sei, die das Piano so meisterlich gespielt habe. Und während Wolfgang ins Innere des Instruments fliehen kann, befiehlt Salieri seinem Diener, diese Maus umgehend wieder einzufangen.
Sie müsse morgen Abend nämlich ihr Kunststück wiederholen, sonst stünden Katz und Wolf auf der Straße.

Szene 2: Der dicke Kater überlegt sich Mausefallen, die er vor dem Loch in der Klaviatur postiert. Käse, Juwelen und am Lustigsten: ein Miniaturklavier!

Erfolg hat er schließlich mit einer Geisel. Eine hübsche Mäusedame bittet Wolfgang um Hilfe. Er müsse spielen, sonst tue Ligo ihr und ihrem kleinen Bruder ein Leid an.

Grafisch eine schöne Idee ist, dass Wolfgang in einem „Rock-Gefängnis“ landet:

Es naht der große Auftritt bei Hofe. Salieri setzt sich ans Klavier und berauscht das illustre Publikum mit der Mozart-Komposition – gespielt von Wolfgang, den man hinter dem Instrument aufgrund seiner Größe nicht sieht.

Der Wolf verbirgt den Spieler in seiner Pranke und nimmt dankbar den Applaus des Königspaars entgegen:

Nun schlägt Vater Leopolds Stunde: Um seinen Sohn aus den Klauen des Schwindlers zu befreien, spielt er auf seiner magischen Flöte eine Höllenmelodie, die den Saal in Panik versetzt.

Salieri lässt Wolfgang fallen, alles rennt wild durcheinander und der König und seine Gattin harren schockstarr auf ihren Plätzen aus.

Kurz darauf stellt man Leopold zur Rede. Der klärt die Lage auf, Salieri gesteht seinen akustischen Betrug und der König ist bereit, ihn zu entlassen.

Doch Wolfgang setzt sich für seinen Kollegen ein: Er habe nur Angst gehabt, seine Majestät zu enttäuschen. Außerdem könne er beurteilen, dass Salieri großes Talent habe – schließlich wohne man in seinem Klavier und höre ihn dort spielen.

So geht alles gut aus. Zur Zugabe schnappt sich Wolfgang noch des Vaters Höllenflöte (die dieser wirklich von einem Magier erhalten hatte) – entlockt dem Instrument jedoch magisch schöne Töne: ein Vorgeschmack auf „Die Zauberflöte“.

Entzückend, entzückend, entzückend.

Übrigens gibt es eine Fortsetzung namens MAUSART À VENISE, aber ich widme mich lieber dem neuen Werk von Gradimir Smudja, das im Sommer 2024 in Frankreich und Benelux erschienen ist: JESSE OWENS – DES MILES ET DES MILES.
Offenbar eine kauzige Graphic Novel um den bekannten Sportler, die (ich warte noch ab) vielleicht auch auf Deutsch erscheint.

Mach mich zum Tier!

Zum Schluss ein wenig Kontext zum Thema „anthropomorphe Tierfiguren“ (etwas nach unten scrollen). Abseits von Disneys kindgerechten Darstellungen finden sich in der Geschichte der Comickunst auch realistischere Ausformungen, die erste womöglich Calvos DIE BESTIE IST TOT von 1944, eine antifaschistische Fabel mit bösen Wölfen.

Es folgten FRITZ THE CAT und OMAHA THE CAT DANCER, dann natürlich Art Spiegelmans MAUS.

Gibt aber auch noch CEREBUS, SCURRY, SCHLOSS DER TIERE, ELEPHANTMEN, PLASTOK, CONTRO NATURA, JACK WOLFGANG, HERR HASE, GRANDVILLE und USAGI YOJIMBO (unter anderen).

Nicht zu vergessen deutsche Beiträge wie LURCHI, SCHINDEL-SCHWINGER, RUDI von Peter Puck und MYRE von Claudya Schmidt!

Und während das Genre seit Jahren von der Serie BLACKSAD dominiert wird, war ich ja damals viel mehr beeindruckt von INSPEKTOR CANARDO, in Szene gesetzt durch Benoît Sokal.

Das ist sozusagen die BLACKSAD-Folie gewesen, allerding mit mehr Gevögel (also die Tiere, nicht die Tätigkeit), wollte sagen Geflügel.
Und schmutziger und ruppiger war es sowieso, mir ist BLACKSAD zu glatt und zu gelackt.

Aber lassen Sie sich doch von Mausart persönlich die Flötentöne beibringen, in diesem Instagram-Reel zum Beispiel (was Sie leider auf Instagram aufrufen müssen, die Einbettung in WordPress ist nicht mehr möglich).

https://www.instagram.com/p/DD37tDLtMNZ