FIVE YEARS lässt mich grummeln

Der neue Terry Moore. Und leider hat er mich schwer enttäuscht.
Ich hatte sein letztes Werk, MOTOR GIRL, gelesen – was sich als echte Hier-rein-da-raus-Lektüre erwies. Diesmal ist es nicht so belanglos, es ist schlimmer: Einige Dinge an FIVE YEARS bürsten mich auf Krawall.

Zunächst jedoch sei meine Leseerfahrung mit Moore transparent gemacht. Sein Hauptwerk STRANGER IN PARADISE hat mich nie interessiert, seinen Ausritt in die Science Fiction mit ECHO habe ich ausgelassen, dafür verehre ich seinen Horrorcomic RACHEL RISING, was ich hier auch dokumentiert habe.

Tillmann liest: RACHEL RISING

Momentan arbeitet er offenbar an einem Spin-off dieser Serie namens SERIAL, davor gab es noch MOTOR GIRL und nun noch FIVE YEARS.

Der neue Moore will in diesem Werk alle Frauenfiguren (für deren Erfindung er zu Recht berühmt ist) seiner bisherigen Comics zusammenführen – und scheitert bereits an dieser Prämisse!

Beispiel MOTOR GIRL: Samantha und ihr Gorilla Mikey sind auf dem Cover vertreten, bekommen im Comic aber nur einen Cameo-Auftritt von 2 + 1 Seiten. Das ist fadenscheinig und mit den anderen Figuren läuft es kaum besser.
Prominent vertreten sind das STRANGERS-Paar Katchoo und Francine, kombiniert mit Rachel und Zoe aus RACHEL RISING. Und die anderen Frauen habe ich zum Teil nicht auf die Kette bekommen!

Da sind noch Katchoos Halbschwester Tambi (die die Handlung vorantreibt) und die geheimnisvolle Julie Martin (die über eine nicht näher erklärte Superkraft verfügt), aber wer zum Fuchs sind und welche Rolle spielen denn Ivy und Stephanie?
Wer ist überhaupt die Frau, die im Schnee Professor Foster umbringt? Wer sitzt in der Kommandozentrale in Hawaii und wer fliegt am Schluss das Flugzeug?

Und was ist das für eine (nur für sich stehende) Szene mit dem Papyrus in Kapitel 8? Da wird eine weitere Frau, die ich nicht zuordnen kann, von der bösen Lillith attackiert – eine Szene, die ins Nichts führt, weil sie nirgendwo angebunden wird.

Stopp, halt, Schritt zurück: Sie denken, ich rede wirr.

Ich kann der Handlung von FIVE YEARS nur schwer folgen, denn Moore springt von Kapitel zu Kapitel an andere Orte mit anderem Personal. Die Crux daran: Alle seine Protagonistinnen sind Frauen, das verwirrt mich armen Mann.
Vielleicht bin ich mit dem Ansatz überfordert, vielleicht ist FIVE YEARS nur für intime Kenner*innen des Moore-Universums entschlüsselbar –  aber wenn ich es schon nicht schnalle, sehe ich schwarz für einen Publikumserfolg.

Wat is denn los, bitteschön?

 

Die Handlung: Irgendwo auf der Welt entwickeln irgendwelche Wissenschaftler die „Phi-Bombe“, eine Superwaffe, die schon beim Testlauf die Welt in Brand stecken wird, also die ganze Welt, die Atmosphäre wird in Flammen aufgehen.
Dieser Alptraum vor der Phi-Bombe treibt Katchoo um, die mit Francine und den Kindern am Strand von Hawaii lebt.

Katchoos Schwester Tambi, eine kampferprobte Marine, weiß mehr: In genau fünf Jahren wird die Forschung zur Bombe vollendet sein (daher der Titel FIVE YEARS) und die Welt wird unweigerlich untergehen.

Woher Tambi das weiß, wer diesen Zeitraum bestimmt hat, in welchem Auftrag Tambi ein Team zusammenstellt, um Wissenschaftler und Militärs davon abzuhalten oder umzubringen – ich habe es nicht verstanden. Mir scheint, die Informationen sind mir vorenthalten worden.

Moore benutzt also einen schlimmen und ausgelutschten McGuffin (Superbombe!), um seine Schar von Frauen aktiv werden zu lassen.

So wie ich das verstanden habe, bringen nun manche Frauen manche Militärs und Wissenschaftler um, andere reisen um die Welt nach Russland, um dort Sascha Sokolow zur Mitarbeit an der Verhinderung der Bombe zu überreden.

Ich freue mich immer über weibliche Hauptfiguren, aber ausschließlich solche finde ich quatschig. Die Handvoll Männer, die auftritt, wird tatsächlich ermordet (achten Sie mal drauf). Auch dagegen habe ich nichts, ich mag radikale Comics, auch Undergroundstoffe. Aber bei Moore wirkt es mittlerweile wie eine Agenda.

Frauen retten die Welt. Frauen sind die Guten. Frauen werden nur mit Frauen glücklich. Alle Figuren hier sind lesbisch.

Es treten noch zwei weitere, neue Frauenfiguren aufs Spielfeld: Die KGB-Killerin Babuschka sowie die russische Gerichtsmedizinerin Yana. Letztere befreit Rachel aus dem Leichensaal der Moskauer Gerichtsmedizin. Yana hat dazu keinen Grund, außer dem, dass sie sich spontan in Rachel verliebt (das wird auch so angedeutet).

Auch die kindliche Mörderin Zoe erklärt auf Seite 188, sie wolle „erwachsen werden und einen Boyfriend haben. Oder ein Girlfriend“, da sei sie noch unentschieden.
Dieser zwanghafte „Lesbianismus“ bei Moore beginnt mich langsam zu verstören. Der Mann hat doch nen Fetisch!

Zoe flirtet dann doch gegen Ende mit Sascha, die einzige heteronormative Regung in diesem Comic. Die dient dann jedoch vielmehr der Schaffung von etwas Komik, um das actionreiche Finale aufzulockern.

Wiederholt: Comics können von mir aus divers bis zum Anschlag sein (und in RACHEL RISING präsentiert Moore mit leichter Hand ein wundervolles Spektrum!), aber hier ist es mir als plumpe Programmatik aufgestoßen.

Es gibt zauberhafte Details in FIVE YEARS, das will ich nicht in Abrede stellen.
Wenn Katchoo mit Popcorn-Würfen aus ihrem Alptraum geweckt wird, wenn sie dem russischen Rezeptionisten (dessen Sprache sie nicht versteht) stumm ihre Kreditkarten hinhält und ihn auffordert „Ziehen Sie eine Karte, irgendeine Karte“, dann leuchtet Moores lebensnaher und cleverer Humor auf.

Doch leider finde ich in diesem Werk mehr Szenen, die eine brachiale und verrutsche Komik ausstellen, meist in Gestalt von Zoes flapsigen Sprüchen, während sie Menschen umbringt. In meinen Augen ein unangebrachter Gewalthumor. Ist das zum Beispiel lustig?

Von fragwürdig schwarzem Humor und flattriger Figurenführung mal abgesehen, ist ein weiterer Kritikpunkt der unmotivierte Perspektivwechsel, der diesen Comic erzählerisch verschleiert.

Neun der zehn Kapitel beginnen mit einem inneren Monolog einer der Figuren, achtmal spricht eine der Hauptfiguren wie Rachel, Zoe oder Kachoo. Im vorvorletzen Kapitel jedoch irritiert mich Moore mit diesem Monolog, denn plötzlich redet ein Mann (was jedoch erst auf der vierten Seite klar wird).
Es fühlt ein Wächter, den Zoe gerade zerfleischt, sein Ende nahen und erzählt uns davon.

Wieso erhält dieser Kleindarsteller einen solch großen Auftritt? Mein Verdacht: Moore hatte einfach Spaß daran. Es ist dramaturgisch sinnlos, aber zeugt von des Autoren literarischer Fähigkeit, sich in einen Sterbenden hineinversetzen zu können. Ich find’s affektiert und aufgesetzt.

In dem Zusammenhang auch aufgestoßen ist mir Moores Manieriertheit mit Schneeflocken. Er inszeniert wahnsinnig gern Figuren im Schnee (auch schon in RACHEL RISING), hier aber übertreibt er es und thematisiert es sogar noch.

In dem einen Kapitel, in dem die handelnde Figur nicht zu Beginn monologisiert, hätte ich den Monolog übrigens gut gebrauchen können – denn das ist das Kapitel, wo ich nicht verstanden habe, wen wir da vor uns haben.

Hier etwas Actioncomedy zum Finale:

Terry Moore auf Abwegen

 

Für mich ist FIVE YEARS ein unbalancierter, unausgegorener und unübersichtlicher Thriller, holprig erzählt und unnötig kompliziert in seiner Konstruktion.
Wenn ich ein Spannungsdrama liefern will, dann nehme ich die Hälfte der Figuren, statte sie mit klaren Vorgaben aus und lasse alle übernatürlichen Elemente weg. Katchoo, Francine, Tambi und Samantha auf Russlandmission, das hätte man hinstricken können (sogar mit Gorilla Mikey), aber so tickt Terry Moore nicht.

Er wollte sie alle, um den Preis, dass sich das Agentendrama mit den Supernatural-Elementen verheddert. Wozu brauchen wir überhaupt den ganzen Aufriss, wenn doch Julie Marin schon Phi-Superkräfte besitzt?!

Da sage ich salopp: Aaarrgghh.

Mit FIVE YEARS hat sich Terry Moore selber ein Bein gestellt. Dennoch  nicht traurig sein. Bei schreiber&leser ist immer noch RACHEL RISING erhältlich.

Abschließend wettere ich seufzend durch die Seiten: