Entschuldigung, mit dieser flapsigen Überschrift wollte ich Sie nur in diesen Beitrag locken, aber „ein Körnchen Wahrheit“ … Sie wissen schon.
Einen Moment lang hatte ich wirklich Angst, dieser Comic könnte in einem Band abgeschlossen sein und ließe noch so viele Fragen offen.
Aber nein, nein, nein, Gottlob nein. EDENWOOD, auf Deutsch neu bei CrossCult, ist nur der Auftakt zu einem groß angelegten Epos, dessen Ausmaße bislang nur zu erahnen sind.
Denn was Autor und Zeichner Tony S. Daniel auf diesen 140 Seiten alles anreißt, lässt mir den Kopf schwirren.
Im Gebiet zwischen Kansas City und Chicago hat sich ein magisches Reservat namens Edenwood manifestiert.
An dessen Grenze macht sich eine Gruppe Jugendlicher, darunter Wortführer Elias und seine Schwester Adelai, auf die Suche nach einem entlaufenen Hund.
Adelai geht voraus in den Wald und trifft sich dort mit ihrem Lover Rion, der ihr eine Zauberpflanze überreicht.

Und das ist nicht der Beginn einer schnulzigen Teenie-Romanze, denn in Edenwood führen Hexen Krieg gegen Dämonen, was bislang nur als ferner Schlachtenlärm zu den Jugendlichen dringt.
Doch plötzlich verschluckt eine gewaltige Staubwolke unsere Protagonisten, Adelai verirrt sich im Wald und Rion findet sich auf ein Schlachtfeld transportiert, wo ihn ein sterbender Soldat um einen letzten Drink bittet.
Doch nichts ist, wie es scheint in dieser Welt mit eigenen Gesetzmäßigkeiten. Aus dem Soldaten bricht ein Dämon hervor und will ihn fressen!
(Generell gilt für EDENWOOD eine Splatter-Warnung: Dieser Comic präsentiert des Öfteren mal blutige Körperauflösungen.)

Doch Rion wird vom legendären Dämonenkiller Bastille gerettet, der ihm eröffnet, dass seit seinem Betreten von Edenwood bereits Jahre vergangen sein könnten.
Und so sehen wir uns mit Rion in einen chaotischen Kosmos aus Magie und Wahnsinn geworfen. Der junge Mann heftet sich an die Fersen des Kriegers, der sich in Edenwood auskennt.
Aber hilft uns das, diesen Comic zu verstehen?


Denn was ich Ihnen hier gezeigt habe, waren erst die ersten fünfzehn Seiten von EDENWOOD!
Darf’s ein bisschen mehr sein?!
Schon im nächsten Kapitel werden wir mit einem Zeitsprung in eine Zukunft konfrontiert, in der Rion die Rüstung und die Mission von Bastille übernommen hat.
Anscheinend hat er seine geliebte Adelai finden können: Schwer verwundet trägt Rion sie in Sicherheit, erlebt dann jedoch eine böse Überraschung:

Die dramatische Szene und folgende Seiten offenbaren uns, dass es formwandelnde „Sammler“ gibt, die den Dämonen zuarbeiten.
Die falsche Adelai verrät noch, dass in „Necronema“ eine Dämonenkönigin herrscht, die es zu besiegen gilt.
Dann tritt Adelais Bruder Elias auf die Szene, der mittlerweile als Elitesoldat der US-Regierung in Edenwood nach ihr sucht.
Vollends den Faden verliere ich, als wir in der nächsten Szene in die Vergangenheit des Jahres 1777 reisen, wo sich Bastille und Rion alten Dämonen stellen müssen – und übrigens Schützenhilfe durch Jugendliche aus der Elias-Gruppe erhalten (darunter die temperamentvolle Lexington), die zu Dämonenkillern gereift sind und von der Vampirin Olena begleitet werden.

Bastille erklärt, dass gewisse Dimensionen in Edenwood von Hexen erschaffen werden, um die Dämonen zu schwächen. Er sei auf der Suche nach den gefährlichsten von ihnen, dem „Black Lakes Trio“.
In einer anderen Dimension oder Zeitlinie diskutieren die Hexenkönigin Halistacia und ihre Generalin Bermuda die Kraft eines magischen Folianten, der in Rions Besitz ist und ihm die Fähigkeit verleiht, zwischen den Dimensionen zu wechseln.
Zugleich erfahren wir, dass die US-Regierung in Person von Gouverneur Stalwell eine neutrale Position zwischen Hexen und Dämonen anstrebt.

Okay, jetzt habe ich Kopfschmerzen.
Ich lese ein zweites Mal durch diesen Comic und versuche verzweifelt, Ihnen den Inhalt wiederzugeben.
Wir sind noch immer nicht in der Hälfte dieses ersten Bandes von EDENWOOD angelangt und es warten noch weitere Figuren und Komplikationen auf uns:
Zum Beispiel ist da noch der gefürchtete Dämonenkrieger Evaniel und sein ritterlicher Gegenspieler Grayhound.
Und welche Rolle spielt das übernatürlich begabte Mädchen Henrietta? Wo sind Rions verschollene Eltern abgeblieben?
EDENWOOD ist knallige, originelle Unterhaltung – Sie müssen bloß das Bedürfnis loslassen können, das Dargestellte begreifen zu wollen.
Jetzt lass schon locker!
So erleben wir im zweiten Teil des Buchs sagenhafte Sequenzen.
Ein Massaker mit Vampiren. Einen Angriff auf das Hexenschloss.
Eine Dämonenattacke aus dem Hinterhalt.


Daniels Artwork ist insofern außergewöhnlich, dass er zwar einen gefälligen Realismus bedient, sich darin aber mit diebischem Vergnügen an Splatter-Effekten richtig gehen lässt – und ein Maximum an Schauwerten inszeniert, die nicht so seelenlos wie anderswo rüberkommen. Finde ich jedenfalls.
Auch wenn ich Mühe hatte, diesen Beitrag zu verfassen (weil so elend viel passiert), habe ich EDENWOOD dennoch gern gelesen.
Wenn Sie allerdings keine Gewalt sehen und/ oder stets auf dem Laufenden bleiben mögen, dann ist das Werk nichts für Sie.
Es gibt bekanntlich Comics, deren Handlung passt auf einen Bierdeckel. Zum Beispiel die andere Daniel-Serie bei CrossCult (NOCTERRA). Die kann ich runterdampfen auf den Satz:
„In einer Welt der Dunkelheit versucht eine Gruppe kämpferischer Freunde, die Agenten der Finsternis zu besiegen und das Licht zurückzubringen.“
Gut, bei NOCTERRA hat Daniel nur illustriert, aber ich wollte auf diesem Wege noch eine Empfehlung aussprechen.
Hier noch ein Stück Backstory von Bastille.


Neues aus Edenwood?
EDENWOOD hat das Zeug zu einem saftigen Action-Horrorcomic mit etlichen interessanten Figuren und fühlt sich nicht so „westlich“ an, wie das Setting vermuten lässt.
Autor Daniel flicht ein interaktives Gespinst aus nur fragmentarisch beleuchteten Ereignissen und könnte ein Schwestercomic zu MONSTRESS (ebenfalls bei CrossCult) sein.
Vor acht (!) Jahren habe ich HIER über den Beginn dieser Serie von Marjorie Liu und Sana Takeda geschrieben, die noch immer läuft und sich in ihren eigenen Mythologien zu verirren droht.
Ich äußere die Blanko-Hoffnung, dass Daniel deutlich stringenter arbeitet.
Was mich jedoch beunruhigt ist die Tatsache, dass die Serie des US-Verlags Image im Februar 2024 mit dem fünften Heft (dem Ende des ersten Handlungsbogens und der Bündelung als Tradepaperback) in einen Veröffentlichungsstopp gegangen zu sein scheint.
Ich drücke Crosscult die Daumen, dass es bald weitergeht. Sonst stehen wir bös im Regen!
(Andererseits: Comics wie MONSTRESS oder eben EDENWOOD müssen Sie bei Fertigstellung sowieso nochmal komplett am Stück lesen, um sie als Gesamtkunstwerk genießen zu können.)
Im Regen sollten Sie sich übrigens nicht mein Reel auf Instagram anschauen, das Display wird dabei so nass.