Der Comic-Bond kann es doch!

Bei Splitter hat man das nächste Bond-Abenteuer nachgeschoben: HAMMERHEAD, geschrieben von einem gewissen Andy Diggle und gezeichnet von einem gewissen Luca Casalanguida. Nachdem ich im Frühjahr die Auftaktbände VARGR und EIDOLON aufs Herzhafteste verrissen hatte (s. Besprechung), hatte ich nicht mehr viel Hoffnung.

Aber: Wie schön, dass selbst Mainstreamcomics unberechenbar bleiben – und ich freudestrahlend mitteilen darf, dass mich HAMMERHEAD begeistert hat. Wo VARGR und EIDOLON alles falsch machten, macht HAMMERHEAD alles richtig.

Die Figuren sind plötzlich lebendig und verfügen über scharf konturierten Witz (Bond, Moneypenny, M), das Skript ist knackig, äußerst unterhaltsam und dramaturgisch rund, die grafische Umsetzung ist perfekt getaktet, sieht gut aus, erlaubt sich keine ratlosen Füller und schlamperte Sequenzen, noch dazu dezent und schick koloriert.
HAMMERHEAD ist der komplette Gegenpol zu den Vorgängern. Erstaunlich, wie nach der schlimmen Nacht ein strahlender Tag anbricht (um mal ein kitschiges Bild zu benutzen).

Eine schöne und starke Frau kommt auch drin vor (noch mehr mag ich allerdings die Wolken im ersten Panel)

Zeichner Luca Casalanguida balanciert elegant auf einem Grat zwischen Abstraktion und Realismus, der mir aber gut gefällt, da Casalanguidas Stil in mir Oldschool-Reminiszenzen an Künstler wie Frank Miller, Hugo Pratt und Howard Chaykin weckt.

Zur Handlung: HAMMERHEAD (ein typisches Bond-Substantiv, in das man vieles hineingeheimnissen kann) ist eine neue Wunderwaffe in Diensten der Engländer. Fatal nur, dass damit Schindluder getrieben wird. Ein globales Bedrohungsszenario droht die Welt in ein neues Wettrüsten zu stürzen. Bond setzt sich im Alleingang auf die richtige Fährte und rettet den Tag in bewährter Manier.
Mehr will ich nicht verraten, denn der Plot wartet mit dem einen und anderen Twist auf.

Absolut berauschend aber ist, dass dem Kreativteam zwei höchste originelle Actionszenen gelingen, die einem bei der Lektüre den Mund offen stehen lassen (und die jedem Bond-Film zur Ehre gereicht hätten):
1. Bei einer Schießerei in einem Aquarium wird ein menschenfressender Haifisch losgelassen.

… und der Haifisch, der hat Zähne …

  1. Der gimmickbewehrte Dienstwagen von 007 wendet sich ferngesteuert gegen Bond, der sich in einem tödlichen Duell mit seinem Auto wiederfindet (das wir ja alle seit „Goldfinger“ als treuen Sidekick lieben gelernt haben).

VWs Schummelsoftware jetzt auch in englischen Autos!

Dieser Comic-Bond ist so, wie man ihn sich gewünscht hat. Ach, was sage ich: Dieser Comic-Bond ist so, wie man sich den Film-Bond wünscht! Allerhöchstes Lob von dieser Stelle!

Den Autoren Andy Diggle wird man sich womöglich merken müssen, ich nehme ihn mal genauer unter die Lupe. Der Mann ist Engländer, war Redakteur bei 2000 AD und hat dann british-invasion-artig rübergemacht zu dem Amis, wo er für HELLBLAZER, DAREDEVIL und THE LOSERS geschrieben hat. Auch so’n produktiver, junger Geist wie Jason Aaron (vielleicht sein europäisches Pendent?).
(Hier bald mehr übrigens von J.A., dessen zweites TPB von DOCTOR STRANGE bald in meinen Händen landet, dann Besprechung dieses sensationellen Wurfs …)