Tillmann liest: JAMES BOND

007 ist wieder da, und diesmal als Comic. Mit „Vargr“ und „Eidolon“ liegen bei Splitter zwei Hardcover-Sammelbände der ersten zwölf Hefte vor. Immerhin hat sich Autor Warren Ellis (TRANSMETROPOLITAN, RED, HELLBLAZER, IRON MAN) der altgedienten Agentenserie angenommen – und mich schwer enttäuscht.
Es ist mir ein Rätsel, weshalb die drei Rezensionen, die ich zu JAMES BOND sah, äußerst positiv ausgefallen waren. In meinen Augen ein absolut abratenswertes Werk, das wie billiges Actionfutter rüberkommt.

Das Skript von Ellis ist solide, bietet aber keine Überraschungen und trottet fast ein wenig lustlos daher. Sowas kann dann die visuelle Umsetzung ausbügeln. Mit der ich bei JAMES BOND allerdings nichts anfangen kann. Ich verlange von Comics eine gewisse grafische Raffinesse oder zumindest ein stimmiges, ein organisches Erscheinungsbild. Das Artwork von James Masters bietet nichts dergleichen.

Subjektiv finde ich es scheußlich. Es scheint komplett am Computer generiert zu sein, mit einer unglücklichen Kolorierung, die Komposition ist hölzern, die Charaktere wirken uneinheitlich dargestellt, die Perspektive beliebig.
Die ausgedehnten, oft seitenlangen, wortlosen Aktionssequenzen sollen wie Film aussehen, haben jedoch leider wenig Eleganz, sondern atmen vielmehr einen sequenziellen Dilettantismus. Dieser Comic entwickelt keinen Fluss, keinen Rhythmus, schon gar keinen Sog.

Das alles stößt mich gehörig ab, schlimmer wird es noch dadurch, dass Ellis und Masters auf brutalste Gewalt setzen: Köpfe zerplatzen oder werden abgerissen, Kehlen zerfetzt und Augen ausgestochen. Passiert auch alles ansatzlos, ohne Ankündigung, ohne Dramaturgie, ohne Reaktion.

JAMES BOND ist ein kalter Comic. Die viehische Gewalt in PREACHER oder PUNISHER MAX kommt mir im Vergleich herzerwärmend vor; wahrscheinlich, weil die Figuren in diesen Comics lebendig sind.
JAMES BOND ist bevölkert von Funktionären. Alle tun hier nur ihren Dienst, ohne das geringste Nachdenken oder Innehalten. Bei mir baut sich weder eine Spannung auf noch empfinde ich mit irgendwem Sympathie. Ich bin wirklich leise entsetzt. Es ist hässlich, klobig, macht keinen Spaß.

Warren Ellis hat die Schreibarbeit nach „Vargr“ und „Eidolon“ abgegeben – in Ankündigung befinden sich allerdings gleich drei weitere Bände. Drei neue Autoren gehen mit drei neuen Zeichnern ans Werk, das kann eigentlich nur besser werden. Eventuell lesen Sie hier demnächst ein Update …

Zum Schluss noch ein Vergleich

Wie verkrampft JAMES BOND daherkommt, merkt man, wenn man ihn vergleicht mit einer anderen, altgedienten Krimireihe: RICK MASTER. Da hat es 2015 einen Relaunch gegeben (mit Autor Zidrou und Zeichner Simon van Liemt), dessen zweiten Band („Morde im  französichen Garten“) ich schon auf Niederländisch lesen konnte (erscheint angeblich Ende Mai – ebenfalls bei Splitter).
Obwohl ich nie ein Fan von RICK MASTER war, hat mich dieses Album rundum überzeugt. Ein entspanntes, lockeres Werk mit originellen Ideen, Flair, Humor, mit charmantem Zeitgeist 1968 angesiedelt und sogar durchsetzt mit deftiger, politischer Kritik an der Algerienpolitik Frankreichs.
Erstaunlich gut gelungen, auch wenn mir das Artwork hier ebenfalls ein bisschen zu schwammig ist.

Zum Schluss unser Bilderkarussell zur Ansicht. Zur Vergrößerung einer Seite bitte jeweils in die untere rechte Ecke scrollen und dort den Textbutton klicken („Bild in Originalgröße anschauen“).