Über den ersten Band dieses Dreiteilers aus Frankreich habe ich gejubelt, er sei „die Renaissance des Semifunnys“.
Die Abenteuergeschichte um eine Blattlaus, die ihren Ameisenherrschern entkommt, um geheimnisvolle Artefakte zu entdecken und womöglich die Machtverhältnisse auf den Kopf zu stellen, ist in meinen Augen die Wucht in Tüten.
Darum „gebe ich damit auch an wie eine Tüte Mücken“ – das sagt man so und hier passt es auch.
Nun, zweite Bände (Mittelteile) bleiben nach dem furiosen Auftakt gerne mal hinter den Erwartungen zurück und müssen das knallige Finale vorbereiten, weshalb sie dramaturgisch oft unbefriedigend rüberkommen.
So ergeht es mir leider auch mit PLASTOK 2 („Der Sumpf der Schädlinge“), wobei dieser Comic absolut unterhaltsam ist und mit neuem Personal die Handlung vorantreibt.
Er entfacht in mir nicht mehr den Rausch der Entdeckung.
Das Worldbuilding und die Figuren sind etabliert – jetzt wird ausgebaut.
Blattlaus Bug und ihre Beschützerin, die Gottesanbeterin Sagawa, sind auf der Flucht mit den Piraten um Schmetterlings-Kapitänin Blackwings.
Bug verfügt über das Wissen um einen sagenumwobenen Ort, den sie in den nördlichen Sümpfen des Insektenkontinents vermutet.
Ein Suchtrupp aus Bug, Sagawa und dem Ersten Offizier Flit engagiert den Moskito Aspi, der sie zur Höhle von Atrax führen soll. Dort fände sich der entscheidende Hinweis auf den Schatz, den es zu bergen gilt.
Doch Aspi verrät die Gefährten an den korrupten Hornissen-Sheriff Xarx, der selber ein Stück vom Kuchen abhaben möchte.
Es kommt zu einem dramatischen Feuergefecht mit Verletzten und Toten, aus dem Bug nur errettet wird, weil die Samurai-Biene Musha eingreift.
Musha und Bug gehen einen Pakt ein: Da Bug Musha vom rituellen Selbstmord abhält, hat sie ihr Leben gerettet. Der Samurai-Kodex verlangt im Gegenzug, dass Musha Bugs Leben zu retten hat – und daher bleibt Musha an der Seite der Blattlaus, um ihr im Abenteuer beizustehen.
Das ist ein hübscher Handlungstrigger, den ich aber irgendwoher kenne!
„Du hast mir das Leben gerettet, also muss ich dein Leben retten?“
(Das ist aus einem bekannten Film, oder? Ich komm nicht drauf.)
PLASTOK tut nichts weiter, als bewährte Plotmuster anders einzufärben und in seinen Insektenkosmos zu transferieren.
Das halte ich nicht nur für legitim, sondern außerdem clever. Für eine klassische Abenteuergeschichte muss ich nicht das Rad neu erfinden (so das überhaupt möglich wäre).
Dieser Comic hält seinen Kurs bei: Underdog wird in Komplott verwickelt, gerät in gefährliche Situationen und wächst am Ende über sich hinaus.
(Dieses Grundmuster sehen wir vom „Herrn der Ringe“ über „Star Wars“ bis hin zu „Der unsichtbare Dritte“ von Hitchcock, wenn man so will.)
Ich glaub, ich spinne!
Verraten will ich, dass als Nemesis aller Insekten eine gewaltige Spinne auf die Szene tritt: Atrax nämlich, der „Dämon in der Höhle“, ist eine solche!
Autorin Maud Michel und Zeichner Nicolas Signarbieux inszenieren ihren Stoff in ruhigem Tempo und erlauben dabei viel Raum für effektvolle Aktionssequenzen.
Der Showdown mit dem Sheriff auf dem Hafendock, eine klassische Seeschlacht zwischen den Piraten und den Ameisen sowie ein Orkan auf dem offenen Meer, bei dem das Schiff mit einer Riesenschildkröte kollidiert:
Die Serie weiß weiterhin, Alarm zu machen. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass PLASTOK 2 keinesfalls eine Enttäuschung ist. Ich habe nur Hummeln im Hintern, wie es denn bitte bald enden wird.
Wird die intrigante Marienkäfer-Hohepriesterin Hermione endlich zu Fall kommen?
Erfolgt eine Konfrontation der Piraten mit der Armee der Ameisen?
Oder geht der Ameisen-Generalin Regula vorher ein Licht auf, für welches Regime sie arbeitet?
Bekommt die Gottesanbeterin-Kriegerin Sagawa eine weitere grandiose Action-Szene?
Wird Musha es schaffen, ihre Lebensrettungsschuld bei Bug zu begleichen?
Werden noch mehr Bienen in diesen schicken Samurai-Outfits auftreten oder dazu noch Wespen, Wanzen oder weitere Viecher?
Zeigt man uns noch Figuren aus dem „Sultanat der Käfer“?
(Dieses liegt am Ostende des Insektenkontinents und allein der Name elektrisiert mich.)
Darf ich mir fette Hornkäfer in exotischen Gewändern und orientalischem Setting wünschen?
Und was ist überhaupt das Geheimnis des Plastoks?
Plastikmüll anzubeten ist eine schöne Verdrehungspointe, aber was exakt ist der Sinn davon? Da fehlt mir noch ein Bezug zu unserer Alltagswirklichkeit …
Tauchen womöglich Menschen auf und stellen die ganze Chose radikal auf den Kopf?! Das wäre aufregend.
Sie sehen, ich bleibe am Ball wie der Mistkäfer an der Dungkugel und vertraue auf ein Finale, das meinen Lieblingen große Auftritte sichert und offene Fragen beantwortet.
Und wen es jetzt schon kribbelt, ist eingeladen, sich die Verlagsseite bei Splitter anzuschauen oder bei mir auf Instagram ein schnelles Reel mit Insekten-Impressionen: