Das doppelte Batmännchen: THE WRONG EARTH

Achtung, das ist nicht Batman. Natürlich ist das nicht Batman. Wir können Sie auch nur für einen Moment glauben, es handle sich um Batman?!
Zwinker.

Der Held in THE WRONG EARTH heißt Dragonfly. Beziehungsweise Dragonflyman. Es sind nämlich zwei Personen aus zwei Universen. Verwirrend? Nicht allzu sehr.

Earth-Alpha ist die Heimat von Dragonflyman: Ein jovialer Crimefighter, der in seiner Stadt Fortune City in Gesellschaft des jugendlichen Sidekicks Stinger das Verbrechen bekämpft.

Earth-Omega hingegen ist die Heimat von Dragonfly: Ein zynischer Crimefighter, der in seiner Stadt Fortune City das Verbrechen bekämpft, ohne seinen bereits im Einsatz ermordeten jugendlichen Sidekick Stinger.

Sie sehen schon: Dragonflyman ist ein bisschen bunter, ein bisschen verspielter, ein bisschen pummeliger als Dragonfly. Dragonfly ist muskulär definierter, bissiger und düsterer als Dragonflyman.

In Earth-Omega ist es immer Nacht, es regnet gerne. Die Cops sind korrupt und schießen erst, fragen dann. Überhaupt sprechen prinzipiell die Waffen. Die bösen Jungs sind Steroid-Gorillas mit Fetischmasken und Springerstiefeln.

In Earth-Alpha ist es freundlich. Man ist nett zueinander, die Cops sind harmlos und rufen um Hilfe. Es gibt Faustkämpfe, untermalt von lustig-bunten Soundwörtern. Die bösen Jungs sind tollpatschige Dummköpfe in Anzügen und Bowlerhüten.

Dämmert es langsam, worauf die beiden Welten anspielen, ja aufbauen?

Earth-Alpha ist der Batman-Kosmos der Sechzigerjahre, Earth-Omega die grimmige Variante seit den Neunzigern.

Und jetzt passiert’s: Ein Portal zwischen den Universen öffnet sich (ein magischer Spiegel) und Dragonfly wie auch Dragonflyman tauschen ihre Welten!
(Und ja, Sie dürfen auch ruhig an das „Spiegeluniversum“ aus „Star Trek“ denken.)

Through the mirror: Bösewicht (und Joker-Verschnitt) Number One flüchtet aus Earth-Alpha nach Earth-Omega, verfolgt von Dragonflyman. Im nächsten Moment tritt aus Gegenrichtung der Omega-Number One auf.

 

Die böse Variante von Number One sticht sofort den ahnungslosen Stinger nieder. Selbst das Gangsterliebchen Deuce (eine Art Harley Quinn) ist entsetzt.

 

Aus Earth-Omega kommend tritt nun Dragonfly in die falsche Welt (auf der Jagd nach der bösen Number One) – und ist erstaunt, seinen toten Sidekick Stinger zu erblicken.

 

Im Folgenden geht der magische Spiegel zu Bruch und die Verhältnisse zementieren sich für eine Weile: Der grimmige Dragonfly und der gutherzige Dragonflyman finden sich in der „falschen Welt“ gefangen und sind mit neuen Regeln konfrontiert.

Der Spaß an THE WRONG EARTH liegt nicht nur in der liebevollen Parodie auf die jeweiligen Welten, sondern auch an der kreativen Weise, wie die beiden entwurzelten Helden sich ohne Maulen in ihrer neuen Umgebung zurechtfinden.

Dragonfly beäugt spöttisch die Trophäensammlung seines Konterparts.

 

Der Bürgermeister und der Bankpräsident rufen den vermeintlichen Dragonflyman um Hilfe an, eine Riddler-Kopie bedroht die Stadt. Doch Dragonfly kennt aus seiner Welt nur verbrecherische Honoratioren und knurrt die beiden an.

 

Dragonfly beginnt in Earth-Alpha gnadenlos und mit Gewalt aufzuräumen, ist zugleich gerührt vom Wiedersehen mit Stinger.
Dragonflyman indessen wundert sich über die Verdorbenheit von Earth-Omega, doch erweist sich der Lage als gewachsen. Er rekrutiert sogar einen neuen Stinger.

(Sehr lustig ist Dragonflymans Schlägerei in einer üblen Spelunke auf Earth-Omega: Da die Dinge hier anders laufen und es keine Knalleffekte gibt, ruft er bei jedem Schlag selber ein Soundwort aus: „Pow“, „Krack“ … – Diese Sequenz zeige ich im Instagram-Video, Link am Ende dieses Beitrags.)

Die Parallelszene: Dragonflyman inspiziert die Höhle seines Konterparts und kann nicht gutheißen, was er dort vorfindet.

 

Ich will hier gar nicht mehr verraten, aber die neu gemischten Teams finden zusammen, die pfiffige Deuce reiht sich ein – dann endet dieser erste Handlungsbogen mit einer neuen Bedrohung aus einer dritten Welt: In Earth-Zeta regiert eine neue Number One in Gestalt eines gerissenen Konzernchefs.

Ich bin sehr gespannt, was die Kreativen noch herausholen aus dieser hübschen Prämisse.

Autor Tom Peyer hat seinerzeit das DC-Vertigo-Label mitbegründet und bezeichnet sich selbstironisch als Autor von preisignorierten Ladenhüter-Comics („award-losing and worst-selling comics“).
Es zeichnet ein gewisser Jamal Igle mit Tusche von Juan Castro, zwei solide Handwerker, die in meinen Augen einen guten Job über dem Standard moderner Independents abliefern und nicht in die Falle gehen, mainstreamiges Superhelden-Artwork zu versuchen.

Verleger Ahoy Comics hat schon Spin-Offs aufgelegt. Nach dem ersten Lauf von THE WRONG EARTH hat man die Reihe in eine Pause geschickt (und diese Spin-Offs produziert)!

Ich bete inständig, dass sie auf die Haupthandlung mit den geswitchten Universen zurückkehren. Einen Vorgeschmack auf die Spin-Offs geben schon sechs Mini-Episoden im Anhang des Tradepaperbacks von THE WRONG EARTH.

Dort finden sich putzige Golden-Age-Persiflagen mit Sidekick Stinger sowie herrlich generische Haudrauf-Quickies mit Dragonfly – von Letzterem zeige ich eine Seite, die so typisch für modernes Superhelden-Narrativ ist, dass es im Grunde peinlich ist, heute noch so formelhaft erzählen zu können!

 

THE WRONG EARTH ist eine intelligente Verwechslungskomödie mit Superhelden – übrigens durchaus nicht unblutig, der Humor tendiert auch mal ins Schwarze. Die Figuren werden allesamt lebendig, dass man ein bisschen mitzufiebern beginnt.
Auch hat dieser Comic hat auch Frauenpower zu bieten, denn Deuce nutzt das Verschwinden des Bosses, um selber auf den Thron zu steigen, hier sogar wortwörtlich abgebildet:

 

Danke für den Tipp an Händler Michael Heide von der Kölner Comichöhle „Alias“ auf der Schillingstraße 41 im Agnesviertel (der Laden führt nur englischsprachige Ware). Ich wohne fußläufig und schaue immer mal wieder vorbei. Schon einiges entdeckt.

Dort empfahl man mir ebendiese Ahoy Comics, von denen THE WRONG EARTH absolut zu empfehlen ist. Sie sind sogar so frech, einen „Dragonflyman-Dayauszurufen. Hahahah.

Zum Plaisier blättere ich noch hinein in THE WRONG EARTH.