Alle sagen, dass ihnen der Film gefällt. Ich schließe mich an, aber möchte gleichzeitig darauf hinweisen, dass man ihn ohne Probleme Pro oder Contra bewerten kann: „Superman“ ist zugleich charmanter Neustart und der gewohnte Quatsch.
Fangen wir beim üblichen Genrezirkus an: Superschurke Lex Luthor will Superman vernichten – und hängt ihm zu diesen Zwecken einen medialen Shitstorm an!
Das Muster ist langweilig, die Methode ist neu.
Und da wir uns im Jahr 2025 befinden, in dem Wahrheit nicht mehr viel gilt, funktioniert der Plan ausgezeichnet und führt zur schönsten Szene des Films: das Rededuell zwischen Lois Lane und Clark Kent.
Sie ist plötzlich die Investigativreporterin, die Superman unbequeme Fragen stellen darf. Der war nämlich (das erklärt der Film sehr schön beiläufig) bislang nur von sich selber interviewt worden und stellt nun schnell fest, dass seine Sicht der Dinge mit dem medialen Aufruhr um ihn nicht zu vereinbaren ist.
David Corenswet als Clark Kent und Rachel Brosnahan als Lois Lane haben eine gute Chemie miteinander und wirken sympathisch, ohne zu sehr aufeinander bezogen zu sein.

Die Redaktion des „Daily Planet“ ist natürlich auch mit Perry White und Jimmy Olsen besetzt (die prima von Wendell Pierce und Skyler Gisondo verkörpert werden) – aber wer zum Fuchs sind die zwei Kasper, die da noch herumgeistern?!
Die kenn ich nicht, die kommen überhaupt nicht ins Spiel, die sind schlichtweg überflüssig (vielleicht Opfer der endgültigen Schnittfassung).
Ich vermute, sie waren für humoristische Einlagen vorgesehen, auf die dann verzichtet wurde.
Die Gags in „Superman“ sind eigentlich recht abgedroschen: Potentaten poltern und eine Gruppe streitet sich über ihre Namensgebung.
Schlimm ist weiterhin, wie hier Krieg inszeniert wird: Das fiktive Land Boravia (eine offensichtliche Russland-Anspielung) überfällt den Nachbarstaat mit Panzern und Infanterie – doch die Gegenseite repräsentiert sich als Bauernhaufen mit Mistgabeln und Zaunlatten. Ernstlich.
Dann kauert auf diesem irrealen Schlachtfeld ein kleiner Junge mit einer zerrissenen Superman-Standarte als Hilferuf ans Universum. Ein absolut herzzerreißendes Bild, so weltfremd und pathetisch, dass wir annehmen müssen, der Film habe sich selber verlassen und kommentiere in diesen Momenten unsere Realität.
Ich sagte „schlimm“ (auf der inhärenten Ebene), aber auch das können wir drehen in einen Appell für den globalen Frieden. Und wer könnte etwas dagegen haben?!
Schwarz und weiß und trotzdem bunt
Autor und Regisseur James Gunn platziert in sein Werk immer wieder kleine Störfeuer, die den Supermenschenrummel mit Ironie, netten Wendungen, entwaffnenden Banalitäten oder Gegenwartsbezügen brechen.
Siehe Lex Luthor, der als Techmilliardär gelesen werden darf (und so rachsüchtig ist, ehemalige Freundinnen einzusperren). Mir persönlich ist Nicholas Hoult als Lex Luthor zu jung und zu bübisch.
Ich hätte andere Gegenspieler bevorzugt, aber ein Superman-Reboot kann nicht auf diese Figur verzichten.

Ich bin gespannt, ob wir ihn jemals wiedersehen, denn Gunns sonstige Player sind ungewöhnlich und unkonventionell eingesetzt.
Nathan Fillians Green Lantern ist herrlich bräsig, Metamorpho eine eigenwillige Wahl und Isabela Merced ist als Hawkgirl mehr Harpyie als Raubvogel (ihr markerschütterndes Kampfgeschrei ist verstörend).
Dann müssen wir über Mister Terrific sprechen, den Edi Gathegi so grimmig wie cool anlegt – diese Supertype kannte ich gar nicht.
Er sieht auch furchtbar albern aus (was für ein Kostüm ist das, bitte?), schafft es jedoch, die Lächerlichkeit seines Outfits vergessen zu machen.
(Vor acht Jahren gab es in „Justice League“ den Technocharakter Cyborg, hat man den nun durch Mister Terrific ersetzt?)

Also: Die Heldenseite ist bunt aufgestellt, bei den Bösewichtern haben wir nur zwei – den Brutaloklopper Ultraman (der sich später als Klon entpuppt) und die Nanozauberin The Engineer (Maria Gabriela de Faria).
Die darf prominent agieren, wenn auch ihre Fähigkeiten so allumfassend sind, dass es im Grunde langweilig ist.
Das ergibt dann die geläufigen Megakampfszenen (im Footballstadium oder im Lavafluss-artigen Neutronenstrom), die auch James Gunn bieten muss.
Doch Gunn wäre nicht Gunn, wenn er nicht einen Trumpf im Ärmel hätte: den Hund.
Supertöle Krypto kam mir zu computeranimiert vor, aber wer schmölze nicht dahin, diesen liebenswerten Wauzi in Aktion zu sehen? Und Krypto rettet Supermans Arsch volle drei Mal!
Bei der letzten Gelegenheit verbeißt er sich in Lex Luthor, und zwar stellvertretend für sein Herrchen. Dieser Superman nämlich verliert niemals die Geduld und wendet Gewalt nur im Notfall an (das heißt, wenn er angegriffen wird).
Krypto ist der heimliche Star des Films, ohne den die Welt verloren wäre.
Ist das nun perfide Inszenierung und Manipulation des Zuschauers (Kinder kommen wie erwähnt auch in kleinen Rollen vor!) oder ehrlich gemeinter Ausdruck ganzheitlicher Gutmütigkeit?
Wir nehmen einmal Letzteres an, und damit ergründet sich, weshalb „Superman“ zwar der übliche Supernonsens ist, aber auch naiven Charme verstrahlt.
Clark Kent und Superman sind beide unbeirrbare Menschenfreunde, die immer ein Auge für ihre Umwelt haben. Sie sind respektvoll, achtsam und schützen jedes Leben.
Mir fiel eine Szene auf, in der Superman ein kleines Tier vor dem Chaos ringsum rettet.

Dieser Superman ist garantiert Veganer!
Dies mag ein Film für Kinder sein, aber gerade diese krachende Sanftmut verleiht dem Film seinen Mehr- und Stellenwert.
Schlüsselszene ist für mich auch Clarks Rückkehr aufs Land zu seinen irdischen Eltern. Die meine ich, wenn ich oben von „entwaffnend banal“ sprach. Diese wenigen Minuten mit diesen supernormalen Amerikanern in idyllischem Setting sind der analoge Traum vom „Früher war alles besser“.
Ruhe, Gelassenheit, gesunden Menschenverstand – mehr braucht es nicht, um Mensch zu sein und Mensch zu bleiben. In Supermans Fall: Mensch zu werden, denn auch darum geht es in diesem Film!
(Das weiß man im Ruhrgebiet übrigens schon seit Langem.)
James Gunn ermuntert uns, blauäugig und vertrauensselig zu sein. Das ist die Essenz der Figur Superman (die übrigens auch in vielen Beiträgen des Sammelbands SUPERMAN THE WORLD zu erspüren ist, s. vorherigen Eintrag auf dieser Webseite).
Noch an das Gute glauben können: Das ist die Superkraft dieser Tage!
Zum Schluss noch der Trailer zum Film, den ich für wenig gelungen halte, denn er versucht, die Komik nach vorn zu spielen (um die es allerdings nicht geht):