„Als Herr Hase eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich zu einer ungeheuren Ikone verwandelt: Er war Asterix.“ So frei nach Kafka möchte ich diese Analyse beginnen.
Autor und Zeichner Lewis Trondheim ist so frech, seine eigene Figur HERR HASE in den Körper von Asterix zu transportieren und ihn ein Abenteuer in Gallien erleben zu lassen. Ich staune, dass das juristisch möglich ist, aber es ist ja eben nicht Asterix – und Trondheim zeichnet lediglich seinen „Lapinot“ in den typischen Klamotten (rote Hose, grüner Gürtel, schwarzes Oberteil und Flügelhelm).
Letzteren muss er erst mal auf seinen Hasenkopf aufgesetzt bekommen, und das ist nur einer von unzähligen Späßen, die wir in diesem Pseudo-ASTERIX genießen dürfen.
Ich möchte die Handlung so schnell wie möglich skizzieren, denn sie tut nicht viel zur Sache Es sind die Zitate, Anspielungen und Einfälle, die diesen Comic für alle ASTERIX-Freunde (und wer ist das nicht?) zum Vergnügen machen.
Herr Hase darf für einen Tag Asterix sein und das gallische Dorf mit den bekannten Figuren erkunden. Gemeinsam mit Obelix (und Idefix) kommt er einem Schwindler auf die Spur: Der bretonische Unabhängigkeits-Aktivist Erwann Pougalec gibt sich als Gott Teutates aus und überredet Miraculix, ihm das Geheimnis des Zaubertranks anzuvertrauen. Mit Superkräften ausgestattet, will er in unsere Realität zurückkehren und die Verhältnisse zum Tanzen bringen:
Das ist ein bitterer Schuss französischer Innenpolitik und ich bin mir nicht sicher, auf welcher Seite Trondheim da steht. Ich verstehe aber auch nichts davon, darf nur anmerken, dass Trondheim auch mit Goscinny und Uderzo ins Gericht geht.
Er thematisiert die Darstellung von Gewalt im Funny-Comic, indem die Römer bei den üblichen Schlägereien nicht nur lustige Blessuren davontragen, sondern durch die Kraft des Zaubertranks regelrecht zerfetzt werden.
Sie sahen Herrn Hases Kumpel, den Kater Richard, der als dritte Person ins ASTERIX-Universum eingetaucht ist (und zwar im Körper von Troubadix). Das ist ein moderner Kommentar auf Verharmlosung von Gewalt – den können Sie pädagogisch verstehen oder als schwarzen Humor einordnen.
Kommen wir lieber zu den vielen Possen und Schnurren, an denen wir ungeteilt Freude haben können.
Wie schmeckt der Zaubertrank?
Das ist eine Frage, die im klassischen ASTERIX-Universum nie aufs Tapet kommt. Herr Hase natürlich kommentiert den Geschmack unwillkürlich und ist entsetzt.
Die Wirkung tritt auch erst mit Verzögerung ein, zudem hat das Gebräu auch Nebenwirkungen, die uns Goscinny und Uderzo nie geschildert haben. Der Trank löst einen Fressflash aus, dem auch nachgegeben werden muss, sonst sinkt man entkräftet zu Boden.
Ist das der Grund, wie Obelix zu seiner stattlichen Körperfülle kam?
Überhaupt gelingt es Trondheim, die Figur des Obelix bestens zu bedienen und als dramaturgischen Faktor zur Geltung kommen zu lassen. In folgender Szene macht sich der falsche Asterix mit einer Ohrfeige als Herr Hase sichtbar. Obelix nimmt das äußerst gelassen und hat sogleich eine kindliche Idee, die bei der Konfrontation mit dem falschen Teutates behilflich sein wird.
BEIM TEUTATES! ist ein straff inszenierter Meisterstreich, der die Comicwelt der Gallier um eine neue Dimension bereichert.
Und es sind alle Running Gags und „Standardsituationen“ drin, die wir so lieben. Da hat natürlich auch Übersetzer Ulrich Pröfrock mit einer perfekten Leistungfür gesorgt: die zweifelhafte Frische-Qualität der Fische von Verleihnix, die unachtsamen Schildträger von Majestix, die prinzipielle Leichtgläubigkeit der Gallier, der Untergang des Piratenschiffs, die Animosität zwischen Troubadix und Automatix, römische Patrouillen im Wald, Aufruhr im Militärlager, das Ringen um den Zaubertrank und selbst die Spürnase von Idefix:
Auch die Kunst des gehobenen Wortspiels (für die ASTERIX exemplarisch in der Neunten Kunst steht) findet ihren Niederschlag in BEIM TEUTATES! Hier allerdings geht sie Herrn Hase als Endlosformel tüchtig auf den Geist.
Gewusst, wie!
Dass eine französische Comicfigur plötzlich in der Haut einer anderen französischen Comicfigur aufwacht, ist so eine Idee, die eigentlich auf der Straße lag – aber Lewis Trondheim ist der Mann, der sie aufhebt und sich einen Spaß draus macht.
In Frankreich geht das Ding wohl weg wie warme Semmeln, obwohl es explizit als Nicht-ASTERIX beworben wird, siehe den Titel-Sticker „Achtung, dies ist kein Asterix-Album!“
Was umso mehr beweist, dass René Goscinny in Lewis Trondheim einen würdigen Nachfolger gefunden hat.
BEIM TEUTATES! besticht mit seinem spielerischen Charme. Alle Irrungen und Wirrungen sind nur für einen Tag aktiv. Um „Mitternacht“ verfliegt der Spuk und wir dürfen davon ausgehen, dass die ASTERIX-Welt, wie wir sie kennen, nach Trondheims Besuch wiederhergestellt sein wird.
Wer noch mehr Infos zu Trondheim und seiner Figur HERR HASE möchte, den verweise ich auf den „Asterix als Parodix“-Beitrag auf dem Blog von Andreas Platthaus.
Zwei Bilderreihen präsentiere ich noch, die den falschen Teutates als echten ASTERIX-Kenner ausweisen! Hier darf sozusagen ein Leser in einem neuen ASTERIX-Abenteuer als ASTERIX-Figur eine ASTERIX-Retrospektive halten.
Solche Meta-Spielchen schüttelt Trondheim mal nebenher aus seinem Wams:
Wie üblich habe ich ins Werk hineingeblättert: