Ich weiß wirklich nicht, für wen DC seine Superheldenfilme macht.
Kinder? Gealterte Comic-Nerds? Beide Zielgruppen irgendwie?
DC-Filme haben nie eine Linie, auch dieser nicht.
SHAZAM peitscht hin und her zwischen Kindergeburtstag, übermütigem Spaß und käsigem Grusel. Doch der Reihe nach.
Schauen wir uns doch zuerst einmal den Trailer an:
Sie sehen direkt, dass die zweite Hälfte des Trailers eine überdrehte Komödie verspricht. Und das ist SHAZAM tatsächlich!
Es ist das Lustigste, das man mit Superhelden veranstalten kann – und das Team um Regisseur David F. Sandberg inszeniert es goldrichtig!
Der Straßenjunge Billy Batson kommt in eine neue Pflegefamilie und freundet sich mit dem gewitzten, aber körperlich versehrten Freddy Freeman an. Als Billy entdeckt, dass ein Zauberer ihm Superkräfte verliehen hat (die mit Ausruf des Wortes „Shazam!“ ein- und abgeschaltet werden), treiben die beiden Jungs damit jede Menge Schabernack.
Es sind halt zwei 14-Jährige mit Flausen im Kopf, nur verfügt Billy in seiner Heldengestalt über den Körper eines athletischen Erwachsenen. Das kostet der Film exzellent aus, nutzt diese Fallhöhe, um uns Superhelden aus einer neuen Perspektive sehen zu lassen.
SHAZAM entgegen tritt der böse Thaddeus Sivana, der ihm seine Superkräfte rauben möchte, um noch mächtiger zu werden (dabei hat er schon welche!).
Sivana steht sozusagen auf der ‚dunklen Seite der Macht‘, doch dazu später …
Die Darsteller sind allesamt wunderbar.
Zachary Levi als Shazam (der erwachsene Billy) kriegt eine perfekte Mischung aus Albernheit, Naivität und Enthusiasmus hin.
Ihm zur Seite steht der fabelhafte Jack Dylan Grazer als ausgefuchster Lausbube Freddy, der auch mit dem jugendlichen Billy (Asher Angel) wunderbar harmoniert.
Auch Mark Strong ist immer eine Bank, auch wenn ich finde, dass er eine Bösewicht-Rolle wie Sivana schon oft genug gespielt hat.
Die Riege der Kinder und Eltern ist toll gecastet, die kleine Faithe Herman wächst einem besonders ans Herz (so clever, wie ihre Figur Darla angelegt ist und so herzig, wie sie spielt).
Einzig unten durch ist bei mir der Zauberer, was weniger am Darsteller Djimon Hounsou liegen mag als an seiner Rolle. Der Zauberer ist eine alberne Figur, man fragt sich unwilkürlich, was der Clown den ganzen Tag treibt: In seiner stickigen Höhle vergammeln? Dutzend von Menschen auf ihre Würdigkeit überprüfen, die Superkräfte verliehen zu bekommen? Denn der oder die Auserwählte muss „ein reines Herz“ besitzen? Jajaja, natürlich, wat denn sonst?
Ein reines Herz braucht Shazam, um es mit seinen Gegnern, den fleischgewordenen sieben Todsünden, aufnehmen zu können? Wer bitte? Die verfickten sieben Todsünden?! Sind wir hier im Mittelalter, oder was?
Ist aber so. An solchen Szenen spürt man, dass wir es bei SHAZAM mit einem 80 Jahre alten Kinderstoff zu tun haben.
Reines Herz! Todsünden! Zauberer! Arrrghh!
Ehe ich zu weiteren bemängelnswerten Aspekten des Films komme, sei nochmal betont, wie irrwitzig und amüsant SHAZAM auf weiten Strecken funktioniert. Ein zweiter (englischer) Trailer zeigt nochmal, wie viel Spaß die beiden Jungs als Superhelden haben.
SHAZAM präsentiert in der Mitte seiner Laufzeit Dutzende herrlich komische Einfälle und Szenen, die Sie aus dem Lachen nicht mehr herauskommen lassen.
Das ist ganz großartig, umso befremdlicher ist es, dass der Film drei unnötig düstere Sequenzen enthält:
Da ist zunächst die Origin-Story des Schurken Sivana (mit der der Film, Achtung, falsche Fährte, eröffnet!). Eine Autounfallszene und erste Begegnung mit dem doofen Zauberer, die übertrieben aggressiv gestaltet ist: Vater Sivana und sein älterer Sohn Sid hacken bösartig und ohne jeden Grund auf dem jungen Sivana herum.
Die komplette Passage strotzt vor entsetzlich klischierten Dialogen, genauso wie die Mordszene im Büro: Der erwachsene Sivana hat die Todsünden-Dämonen in sich aufgesogen und lässt sie Amok laufen bei einer Vorstandssitzung in Vaters Firma. Was macht der böseböse Mann? Bringt seinen verhassten Vater und Bruder um und noch ein Rudel Anzugträger mit dazu, wo er gerade dabei ist.
Jetzt kann man natürlich sagen: Etablierung des Schurken.
Wir müssen zeigen, wie böse er ist! Muss man das wirklich?!
In diesem Werk hätte es gereicht, wenn Mark Strong böse geguckt hätte (was er sowieso tut) und ihn ein paar Drohungen hätte aussprechen lassen.
Ihn mit seiner Truppe von Dämonen bei der Tötungsarbeit zu sehen, passt nicht zum Rest des Films – außerdem sehen die Monster aus, als wären sie noch aus GHOSTBUSTERS übrig gewesen.
Will sagen, sie wirken ein bisserl albern, austauschbar, Sabber- und Mundgeruch-Monster, die ihren Opfern zwar mal den Kopf abbeißen, aber sie wahrscheinlich lieber „vollschleimen“ wollen. (Hell, yeah, nichts gegen GHOSTBUSTERS.)
Und da ist drittens noch die Gewalt in der High-School: Freddy wird von zwei fiesen Mitschülern nicht nur zu Boden geworfen, sondern auch noch mit Fußtritten traktiert, ohne dass das bei den Umstehenden Irritationen hervorriefe (oder im Folgenden die Schulautoritäten sich für den Vorfall interessieren würden).
Ein seltsam kaltschnäuziger Subplot, der mich verstört hat. Es gibt eine Schulpolizei und Waffenkontrollen, aber draußen auf dem Rasen darf man sich prügeln?!
Das meine Beobachtungen zu den ‚dysfunktionalen‘ Passagen des Films. Abschließend ein Blick aufs Finale:
Am Ende geschieht eine Wendung (die ich nicht verrate), die der Gefährdung jeden Zahn zieht. Ab jetzt wissen wir: Es geht alles gut. Der Film dauert aber noch 15 Minuten. Das nenne ich die „Kindergeburtstags“-Sequenz.
Wir feiern ein buntes Feelgood-Superheldentum.
Das ist gar nicht schlimm, hat aber diesen Ruch von US-amerikanischer Familientauglichkeit, den es nicht gebraucht hätte. Der Film weicht auch darin von der Linie ab, die er eine volle Stunde zuvor so schön gezogen hatte.
Fußnote 1:
Der mit Sicherheit lustigste DC-Film.
Was daran liegt, dass SHAZAM kein DC-Stoff ist!
Wen es interessiert, kann HIER einen langen Wikipedia-Eintrag auf Englisch studieren (die deutsche Wikipedia weiß offenbar nichts von der wahren Origin-Story von Billy Batson).
Ganz kurz: „Shazam“ war in den 1940er-Jahren eine Comicfigur, die in direkter Konkurrenz zu DCs Superman stand (und 1953 von DC vom Markt geklagt wurde). 20 Jahre später hat DC die Figur unter eigenem Label frecherweise wiederbelebt.
Fußnote 2:
Mich erinnerte die Machart von SHAZAM und vor allem das Auftreten der Darsteller an die alte Realfilmserie THE TICK von 2001 (nicht zu verwechseln mit der neuen von 2017), die den köstlichen Patrick Warburton als geistig minderbemittelten, aber superselbstbewussten Helden präsentierte.
(Warburton ist der Kerl in Blau, der in diesem Clip leider erst ganz zum Schluss richtig ins Spiel kommt).