Black Monday Murders

Diese Serie nimmt den alten Spruch „Geld regiert die Welt“ wörtlich und präsentiert uns einen Mystery-Horror-Finanzthriller, der mich in seinen Bann geschlagen hat. Selten hat Comiclektüre so einen Sog auf mich ausgeübt.

Ein Ritualmord in der New Yorker Finanzwelt ruft den schwarzen Detektiv Theodore Dumas auf den Plan. Der merkt sehr bald, dass der Fall eine übernatürliche Ursache hat und beginnt zu graben: bei der Bank des Toten und bei einem Professor für mesopotamische Geschichte.

Detective Dumas bemerkt. dass der Tote eine Uhrzeit anzeigt!

 

Parallel dazu erfahren wir Leser, dass rivalisierende Familienclans seit Jahrhunderten die Finanzflüsse der Welt in  streng hierarchisch geführten Zirkeln steuern und sich diese auch dunkler Magie und blutiger Intrigen bedienen.
Wir erleben den Machtpoker in den Hinterzimmern, ein Geheimtreffen in einem Dimensionsportal der Berliner Mauer, aus dem Ruder laufende polizeiliche Verhöre, erfahren finstere Familiengeheimnisse – und sind Zeuge einer Audienz bei Gott Mammon persönlich.

Mammon gewährt Dumas Einsichten in die Arbeitsweisen seines Kults.

 

Ja, die Finanzwelt ist verstrickt mit dem legendären Dämon, der seinen Adepten langes Leben, Reichtum und ungeahnte Macht gewährt. Bezahlt wird mit dem Blut von Sklaven bzw. Untergebenen, denn immer noch wollen junge Menschen Investmentbanker werden!

Der sinistre Viktor hält eine Vorlesung vor dem Banker-Nachwuchs.

 

Es begeistert mich, wie viel Sozialkritik und Historie in den BLACK MONDAY MURDERS mitschwingt: Dieser Comic untersucht nicht nur die Börsencrashs der letzten Jahrzehnte auf ihre verborgenen Ursachen, er spaziert uns auch durch den Zerfall der Sowjetunion, der Neuordnung der globalen Gesellschaft und beleuchtet die schmutzigen Machenschaften der CIA im Verbund mit Großkonzernen

Kapitalismuskritik mal anders!

 

So kompliziert das alles klingt (und so komplex es in der Tat ist!), ist es erstaunlich, wie leicht und nachvollziehbar uns das Team Jonathan Hickman (Text) und Tomm Coker (Artwork) diesen Stoff unterjubelt. Ich kam nicht groß ins Grübeln, die Story fließt gekonnt daher, die Figuren sind plastisch und lebendig wie ich selten welche erlebt habe – das Ding macht sogar Spaß!

Tomm Coker ist mir völlig unbekannt, aber der Mann überzeugt mich vom Fleck weg mit seinen stylishen Layouts, seinem griffigen Strich und er schafft es, seinen Gesichtern tolle Nuancen im Ausdruck zu verleihen! Auch das will ich besonders hervorheben, sieht man nicht allzu oft im Comic.

Grigoria Rothchild rückt auf den Platz ihres toten Bruders Daniel nach – und treibt ihr Spiel, auch mit Detective Dumas.

 

BLACK MONDAY MURDERS spielt in einer (atmosphärisch angemessenen) Nacht- und Abendämmerungswelt, die Farbpalette des Koloristen Michael Garland kennt nichts Helleres, nichts Bunteres als Beige. Ultraschick kommen seine Kompositionen aus Braun-, Blau- und Rottönen daher.

Abschließend erwähnt werden muss noch der dokumentarische Anstrich, den Autor Hickman seinem Werk verpasst: Die BLACK MONDAY MURDERS werden immer wieder (seitenlang!) unterbrochen durch Organigramme, Vorstandslisten, Familienstammbäume, Personalakten, Email-Ausdrucke und Sitzungsprotokolle auf strahlend weißem Papier.

Das ist natürliche der alte Glaubwürdigkeits-Trick (Heranziehen externer Quellen), hier allerdings helfen diese Info-Häppchen dem Leser, das Puzzle zusammenzusetzen. Ich habe tatsächlich hin- und hergeblättert, um besser zu verstehen, wer mit wem verbandelt ist und was sich genau wann zugetragen hat.

Denn die BLACK MONDAY MURDERS verfolgen nicht nur die Handlungsstränge bei der Polizei und in den Finanz-Kartellen, sondern springen auch noch munter durch die Zeit: 1929, 2016, 1985, 2016, 2007, 1973, 2016 … usw.

Winter in Ost-Berlin: Wir öffnen ein Dimensionstor im Todesstreifen.

 

Ich wiederhole mich: Klingt schwierig und verworren, ist es aber nicht. Es ist quasi bebilderte Verschwörungsfantasie.
Diese Serie ist ein Meisterwerk: Dieser Comic will mehr als nur unterhalten! Er ist einer dieser atemberaubenden Großentwürfe, die ein eigenes Universum, eine eigene Handlungslogik entwickeln.

Der SANDMAN von Neil Gaiman war so ein Ding, PREACHER, die WATCHMEN sowieso. Comics, die dich mit ihren Ideen, Figuren und Konzepten überwältigen. Comics, die uns staunen machen. Säulen der Neunten Kunst.
BLAST von Manu Larcenet zähle ich dazu, SAGA von Brian K. Vaughan und Fiona Staples, FATALE von Brubaker/Philipps. Warren Ellis liefert uns noch TRANSMETROPOLITAN und INJECTION. Werke, die sich neu anfühlen und den Horizont erweitern.

Im deutschen Raum denke ich an DAS UPGRADE, GUNG HO oder DEAE EX MACHINA. In sich kreisende, fantastische Visionen, wo Bild und Wort organisch ineinander greifen und uns Leser im besten Sinne entführen auf eine eskapistische Reise – von der wir erfahrungsreicher und beseelter zurückkehren.

Grigoria stolpert auf die Szene, als der Hausdamön ihres Clans ihren Vater reißt. Das Grauen weicht der Einsicht, dass der Dämon nun ihr Diener sein wird. Man beachte das Michelangelo-Zitat im letzten Panel …

 

Die BLACK MONDAY MURDERS gibt es (bis jetzt) nur auf Englisch; meine Fachleute sagen mir, die Serie läge derzeit leider auf Eis. Bei Image sind zwei Trade-Sammelbände erschienen, die die ersten acht Hefte beinhalten.
Autor Hickman hat anscheinend zu viel anderes zu tun, es heißt über ihn: „He masterminds the Marvel Comics Universe“. Das darf wohl als Entschuldigung gelten …

Bonusbildchen: Grigoria als Herzerl-Fresserin vom Clan, der sich seine Feinde lebendig einverleibt …