Nordkorea wirft eine Atombombe über der US-Basis Guam ab, 2.000 Kilometer entfernt von Manila, das als nächstes Ziel ausgerufen wird. Die Hauptstadt der Philippinen wird daraufhin evakuiert – und zurück bleibt nur unsere Hauptfigur, ein namenloser junger Mann.
Der ist nämlich seines Lebens überdrüssig, weil er schlimmen Liebeskummer hat. Seine langjährige Freundin Lea hat ihn verlassen, weil er eine Affäre mit einer Zufallsbekanntschaft hatte.
Jetzt stolpert er durchs Stadtzentrum und staunt über eine menschenleere Millionenmetropole.


Wie ein Tourist betrachtet der junge Mann seine Heimat mit fremden Augen. Er bemerkt Dinge und nimmt Orte wahr, die ihm zuvor nie aufgefallen sind.
In Erinnerungen rollt er noch einmal die Beziehung zu Lea auf. Wie sie sich kennengelernt haben, wie sie zusammengezogen sind, wie sie ihre Liebe lange Zeit verheimlicht haben.

Das letzte Panel ist uns heute eine Selbstverständlichkeit, auf den Philippinen offenbar noch nicht so ganz.
(Dabei galt unverheiratetes Zusammenleben noch vor 50 Jahren in Deutschland als „wilde Ehe“ und war nicht gern gesehen in konservativen Kreisen; hach, wo ist sie hin, die wilde Ehe?, klingt so abenteuerlich.)
Unseren Protagonisten überkommen Selbstmitleid, Elend und Hunger: Er bricht in einen Minimarkt ein, futtert Chips und beginnt sich zu betrinken.
Mit Reue gedenkt er seines Seitensprungs, der in einer Geschlechtskrankheit endete:


Nach dem Beziehungsaus versuchte er sich wieder als Single, kam aber nicht über Lea hinweg.
Das alles kommt wieder in ihm hoch und endlich lässt er seiner Verzweiflung Lauf:

Als er plötzlich eine weibliche Person erblickt, folgt er seinem Impuls, ihr nachzugehen – und entdeckt zwei Straßenkinder, die sich eine Wohnung erobert haben.
Diese Szene ist die ergreifendste in NO MAN MANILA und vermittelt uns auf subtile Weise die gesellschaftlichen Probleme der Philippinen.
Die junge Tissa ist eine Schicksalsgemeinschaft mit der älteren und kränklichen Lola eingegangen. Gemeinsam schlagen sie sich durchs Leben und hoffen (groteskerweise) in der Lebensgefahr durch den drohenden Bombenabwurf auf eine Besserung ihrer Situation.


Erschüttert verlässt unsere Hauptfigur die beiden und entlädt seinen Kummer mit Lea durch ein riesengroßes Graffito vor dem Regierungspalast.
Dann trifft die Nachricht ein, dass die Gefahr vorüber ist – und die Menschen strömen zurück in die Stadt. Auf einen Schlag ist es wieder chaotisch und wuselig und laut und dreckig in Manila.
Der junge Mann registriert die Rückkehr des Lebens mit Verwunderung und auch mit Wut, denn die Menschen benehmen sich wie offene Hose.
OPEN PANTS MANILA heißt es nun und die Moral von der Geschicht‘: „Läbbe geht weida!“
Das ist zwar trivial, aber wir müssen der Hauptfigur diese Erkenntnis zugestehen.
Ich bekomme das Alter von Autor und Zeichner Randy Valiente nicht ermittelt, weiß jedoch, dass er nicht mehr jung ist. Seine Graphic Novel scheint mir allerdings auf ein jüngeres Publikum ausgerichtet.
Ich mag die Melancholie und den Geist des Humanismus, der durch NO MAN MANILA strömt. Einsamkeit und Trauer gehören zu unserem Dasein wie der Überschwang und die Sorglosigkeit.
Das kleidet Valiente in die Parabel von der leeren Stadt, die am Schluss wieder von grausamer Geschäftigkeit verschluckt wird.

Ich applaudiere dem Dantes-Verlag, der dieses leise Werk zu verlegen wagt. Verlagsleiter Josh hat sein Herz für die Philippinen entdeckt, dieser Inselstaat ist übrigens eine Nation mit langer Comictradition.
(Vor über fünf Jahren habe ich HIER mal den Zeichenmeister Alex Niño vorgestellt.)
Dantes verlegt übrigens dessen Spätwerk ALANDAL sowie die Mysteryreihe TRESE von den Kollegen Budjette Tan und Kajo Baldisimo.
Letzteres eine heiße Empfehlung für alle Horrorcomics-Fans, wir haben diese Trilogie im ComicTalk vorgestellt, HIER nachzuschauen.
Um noch einen Eindruck von NO MAN MANILA zu geben, können Sie auf Instagram ein Reel dazu aufrufen.