Ich trage diese Frage schon länger mit mir herum und habe das Gefühl, dass die filmische Fusion von Horror und Komödie in den allerseltensten Fällen gelingt, vielleicht gar prinzipiell unmöglich ist.
Doch schauen wir zunächst einmal, was man darunter listen kann, zum Beispiel auf der englischsprachigen Wikipediaseite „Comedy Horror Films“.
Dutzende und Aberdutzende Einträge – aber sind das alles Horrorkomödien?!
Die Filme von 1920–1960 lasse ich frech unter den Tisch fallen. „Abbott and Costello Meet Frankenstein“ und Weiteres sind Promi-Komödien und Komikervehikel.
In den 1960er-Jahren finden sich dann ernst zu nehmende Einträge wie „Little Shop of Horrors“ und „Tanz der Vampire“. Aber ist ersterer nicht bloß ein verqueres B-Movie, das wir heute ironisch lesen, und zweiterer eine missratene Komödie?
Die 1970er-Jahre bieten „Dr. Phibes“, „Frankenstein Junior“ und die „Rocky Horror Picture Show“. Das sind ein Vincent-Price-Gruselfilm, eine Mel-Brooks-Komödie … und meine geliebte „Rocky Horror Picture Show“ habe ich NIE als Horror verstanden. Das ist ein durchgeknalltes Musical mit popkulturellen Versatzstücken aus mehreren Genres.
In den 1980er-Jahren nimmt das Genre Fahrt auf mit (Auszüge) „Creepshow“, „Gremlins“, „Ghostbusters“, „Die Hexen von Eastwick“ und „Beetlejuice“.
Episodenfillme wie „Creepshow“ nehmen sich durchaus ernst und sind für mich ganz und gar unkomödiantisch. Die anderen vier waren große Publikumsfilme und seinerzeit bestimmt nicht als „Horrorkomödien“ konzipiert.
(Ausnahme vom Publikumserfolg ist der schräge „Beetlejuice“, den ich als das unausgegorenes Debüt von Tim Burton bezeichnen möchte).
Ich verstehe „Horrorkomödie“ als Subgenre des Kinos: Ein Hauptthema von Horror wird komödiantisch aufbereitet.
Eine reine Komödie, in die sich Horrorelemente schleichen, würde ich nicht gelten lassen (damit sind wir wieder bei Nonsens wie „Attack of the Killer Tomatoes“…).
Okay, man schießt sich definitorisch gerne selbst ins Knie. „Tanz der Vampire“ und auch „Ghostbusters“ erfüllen meine Kritierien.
Aus der Rückschau sind dies tatsächlich Horrorkomödien. Vom Gefühl her aber scheint mir Sam Raimis „Armee der Finsternis“ von 1992 der Pionier dieses Subgenres (wie ich es in seiner Fülle verstehe) zu sein.
Hier bekommen wir einen derben Splatterhumor präsentiert, der damals noch nicht funktioniert, wie ich behaupte (das machen heutige Filme besser).
Ich finde „Armee der Finsternis“ sehr anstrengend und nicht die Bohne komisch, auch wenn er auf die Kunstblut-Tube drückt. Gut, jetzt ist Sam Raimi kein Komödiant, seine eigene Art von Gewalthumor gelingt ihm weitaus besser im Western „The Quick and The Dead“ drei Jahre später.
Dennoch stürzt uns hier erstmals ein Regisseur mit ironischer Absicht in die richtig wüsten Abgründe des Horrors („Ghostbusters“ ist ja nur putzig, „Tanz der Vampire“ nur albern).
Und Raimis Versuch misslingt so kräftig, dass es zehn Jahre lang ruhig ums Subgenre wird. Werke der späten 1990er-Jahre sind in meinen Augen reine Komödien („Addams Family“), falsch rubriziert (die „Scream“-Filmreihe ist Meta-Slasher-Movie) oder genuiner Horror (bei „American Werewolf“ hab ich mich gefürchtet …).
Auch ein Werk wie „From Dusk Till Dawn“ (1996) finde ich zu wenig komödiantisch.
Es geht mir um die Parallelführung von Horror- UND Komödienhandwerk, die Gleichgewichtung beider Anteile und letztlich um eine ausgewogene Balance, die alle vorgenannten Filme nicht aufweisen.
Dann begann mit „Shaun of the Dead“ im Jahre 2004 ein Comeback (oder ein Auftakt?) von Filmen, die ich endgültig als veritable Horrorkomödien bezeichnen möchte. Der hochgelobte Film ist in der Tat prächtig (gleichwertig lustig wie grausig), tänzelt schön am Rande der Glaubwürdigkeit daher – was in gefühlt Dutzenden Nachahmerwerken nicht der Fall ist („Angriff der Lederhosenzombies“, „Cockneys vs. Zombies“, „Gangster, Guns and Zombies“, „Scouts vs. Zombies“ etc.).
Die Zombiekomödie findet in meinen Augen mit „Zombieland“ 2009 ihre schönste Ausprägung; es ist zugleich meine Lieblings-Horrorkomödie. Hier stimmt alles: ein Roadmovie mit Buddy- und RomCom-Anteilen, doch stets eingerahmt in die speziellen Gegebenheiten der Zombie-Apokalypse.
„Rubber“ von 2010 ist hochinteressant, aber nicht direkt ein Horrorfilm. Und damit erkläre ich ein weiteres Ausschlusskriterium: Eine Genreparodie ist für mich auch keine Horrorkomödie. Ätschi.
Tja, da bleibt nicht viel, dennoch tut sich in den letzten Jahren ein kleiner Boom von ambitionierten B-Movies auf:
„Tucker and Dale vs Evil“ (2010) ist eine äußerst gelungene Verwechslungskomödie, „5 Zimmer Küche Sarg“ von 2014 ist charmant, „Cabin in the Woods“ (2012) ist großartig, endet jedoch unsäglich finster und bedrückend.
Und damit zum Schluss eine Entdeckung aus dem Jahre 2016: „House Harker“.
Die Urenkel des Dracula-Bezwingers Jonathan Harker versuchen, Kapital aus ihrem Erbe zu schlagen: Die Brüder Gerry und Charlie und ihre hübsche Schwester Paige stehen vor dem finanziellen Ruin. Gemeinsam mit Kumpel Ned kommen sie auf die Idee, im Harker-Haus ein Vampir-Event zu inszenieren und damit vom Erfolg der Vampirwelle zu profitieren.
Natürlich geht alles schief: Niemand schert sich um die Harkers, der traumatisierte und leicht zurückgebliebene Charlie wird gemobbt, Ned zofft sich mit Sheriff Wayne um die Gunst von Paige – und zu guter Letzt erweckt man unbeabsichtigt einen neuen Dracula, der das Städtchen und House Harker heimsucht!
Der amerikanische Crowdfunding-Film (realisiert für magere 37.000 Dollar!) hat keine Stars und keine digitalen Effekte, macht aber in puncto Handlung und Humor alles richtig. Ich habe viel gelacht und mich sehr dran gefreut. Eine der wenigen Filme, die für mich Horrorkomödien sind. Mir ist klar, dass dieser Artikel völlig wischiwaschi ist, aber ich wollte mal drüber reden.
Der Trailer zu „House Harker“ beschränkt sich in der zweiten Hälfte zu sehr auf die Action am Schluss, was grob verfälschend ist!
Nachtrag: Mein Freund Christoph Schmidtke postet auf seinem Blog einen erleuchtenden Kommentar. Gedanken zum Fürchten und Gedanken zum Lachen …