DONALD DUCK: THE ULTIMATE HISTORY – 90 Jahre Disney-Ente

Unterm Superlativ macht es Verleger Benedikt Taschen ja längst nicht mehr, auch im Comicbereich – siehe seine Editionen zu Frank Frazetta, LITTLE NEMO, KRAZY KAT oder die „Marvel Comics Library“.

Auch bei Donald Duck geht es um das größte, schönste, dickste und bestbebilderte Buch. Da können wir jubeln, wobei ich gleich anmerken muss, dass es hier nicht ausschließlich um den Comic-Donald geht, sondern um dessen Dreifaltigkeit in Funk, Film und Comics.

It started with a „quack attack“

Gut, zu Donalds Radiopräsenz kann ein Printwerk nicht viel sagen, doch darf nicht vergessen werden, dass die Synchronstimme des Enterichs der Startschuss für seinen Erfolg war: Clarence Nashs Geschnatter war und ist so amüsant und einprägsam, dass (einmal gehört) niemand diese Figur vergessen kann!

Wer mag, ruft folgenden Clip auf YouTube auf, der Nash bei der Arbeit mit diversen Stimmen präsentiert:

1938 kulminierte Donalds Radioruhm mit einer wöchentlichen Sendung namens „The Mickey Mouse Theater of the Air“: Disneys Figuren wurden vom komischen Gequake der Ente in den Schatten gestellt.
Ein Kritiker der „Variety“ urteilte: „Micky ist blass und undurchsichtig, die Show gehört Donald Duck.“

Zeitgleich führte der Zeichner Al Taliaferro den Comic-Donald aus den Zeitungs-Tagesstrips zur Blüte. Taliaferro propagierte und prägte seine Donald-Vision, die mit dem langschnabeligen Kasper der frühen Trickfilm-Shorts nicht mehr viel zu tun hatte.

Dieser Zeichner gestaltete den Strip beinahe 40 Jahre lang und erfand Franz Gans und Oma Duck, Donalds Neffen Tick, Trick und Track sowie sein ulkiges Roadster-Auto mit der Nummer 313.

© 2024 Disney Enterprises, Inc.

Im Trickfilmbereich emanzipierte sich Donald 1936 zum Hauptdarsteller seiner eigenen Features. Zuvor war er stets an der Seite von Micky und Goofy aufgetreten. Diese drei waren ein erfolgreiches Gespann, doch es bahnte sich ein Duck-Kosmos an, der wenige Jahre später im Comicsegment von Carl Barks perfektioniert werden sollte.

Der populärste Entenzeichner aller Zeiten saß seit 1935 im Disney-Studio und entwickelte gezeichnete Sketche und Gag-Ideen für sämtliche Figuren. Nun formierte Disney eine „Enteneinheit“ („duck unit“), um Donalds Filmkarriere voranzutreiben.

Barks mauserte sich zum produktiven Storyboarder und skizzierte etliche Szenen auf Papier, wovon DONALD DUCK: THE ULTIMATE HISTORY Dutzende in fabelhafter Druckqualität veröffentlicht.

Auch stellt man bei der Lektüre fest, dass manche Trickfilm-Plots das spätere Schaffen von Barks inspirieren und befeuern sollten.
So erleben wir Donald zwischen 1936 und 1942 in jeder Menge Berufe – vom Trapper, Jäger und Golfspieler zum Sportsmann, Tierfänger und Schulpolizist bis hin zum Fensterputzer, Feuerwehrmann und Fotograf.

Barks hatte 1942 vom Trickfilm die Nase voll, zu viele seiner Ideen wurden nicht realisiert: „Es gefiel mir nicht, dass die Studioleitung andauernd meine Arbeit kritisierte.

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Die Lösung: Flucht in den Comic!

Barks‘ Übergang zum Comic wurde erleichtert durch die Tatsache, dass der Verlag Western Publishing (Heimat der WALT DISNEY’S COMICS AND STORIES) neue Donald-Geschichten suchte. Taliaferros Zeitungsstrips füllten das Heft nicht mehr.

Barks bot sich an, bekam den Job und zunächst aus dem Hause Disney noch Skripte geliefert. Bald schwamm er sich frei und arbeitete aus dem „Home Office“ im Städtchen Hemet im San Jacinto Valley, östlich von Los Angeles.

By the way: Auf Seite 319 entdecken wir ein tolles Fundstück. Der Zeichner, der (so will es die Entenlegende) über 15 Jahre lang anonym arbeitete und erst ab 1960 von Fans identifiziert und aufgesucht wurde, wurde bereits 1947 in der Lokalzeitung „Hemet News“ mit Foto als Donald-Zeichner abgelichtet!
Höhöhö, Zeitung lesen bildet, ihr Entengucker.

Etwas verwirrend finde ich, dass in den Barks-Kapiteln der DONALD DUCK: THE ULTIMATE HISTORY (110 von 560 Seiten) scheinbar wahllos einige Stories (immerhin chronologisch) erwähnt werden. Illustriert mit ebenso beliebigen Bildern daraus.
Autor David Gerstein pickt offenbar solche heraus, die für ihn eine Besonderheit aufweisen oder ihm schlicht gut gefallen haben.
Diese Beispiele sind jedoch diskutabel, weil höchst subjektiv, denn jede und jeder von uns hätte wahrscheinlich anderes Material ausgewählt.

Ist nicht dramatisch, ich will es nur transparent machen. Alle Barks-Expert*innen (ich nur am Rande) verfügen sowieso über ihre eigenen Gesamtausgaben und Checklists, auch in Netz findet man natürlich eine Aufzählung sämtlicher Donald-Comics.

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Vorbildlich auf jeden Fall die Würdigung der Barksschen Meriten, nämlich die Erfindung ikonischer Figuren wie Onkel Dagobert, die Panzerknacker, Gundel Gaukeley, Daniel Düsentrieb und natürlich Gustav Gans (mein Alter Ego im Disney-Kosmos).

Zudem benannte er den Wohnort der Ducks als „Duckburg“ – „Entenhausen“ war geboren.

Da das originale Artwork von Barks aus den 1940er- und 50er-Jahren fast vollständig weggeworfen wurde, muss sich auch dieses Buch mit Comicheft-Auszügen begnügen. Das Werk glänzt jedoch mit einer Handvoll prächtig reproduzierter, überformatiger Barks-Titelbilder.

Trickfilmgeschichte am laufenden Band

THE ULTIMATE HISTORY macht weiter mit den Cartoons, die Donald in den 1950er-Jahren fast ausschließlich im Kampf gegen die Natur zeigen: Ameisen, Bären, Bienen, entlaufene Löwen und immer wieder A- und B-Hörnchen sind die Störenfriede, die Donalds Planungen oder Freizeitspaß sabotieren.

Ich erinnere mich an diese Trickfilme, bin aber nie warm geworden mit A-Hörnchen und B-Hörnchen, mein Gott, die waren mir immer zu kindgerecht.
Der fantasievoll verrückte oder anarchische Donald taucht nur noch selten auf, etwa in memorablen Einsätzen zu Halloween wie im Klassiker „Trick or Treat“ von 1952 – diesen Kurzfilm adaptierte Barks übrigens zeitgleich als Comic, und zwar als ungewöhnlich „halblange“ Geschichte von 23 Seiten Länge.

Als das Fernsehen in die US-amerikanischen Haushalte Einzug hält, ist die Disney Company vorneweg mit dabei und bespielt seit Herbst 1954 die wöchentliche Sendung „Disneyland“. Hier werden Trickfilme in einem Rahmenprogramm zweitverwertet, ergänzt durch den populären „Micky Mouse Club“ bereits ein Jahr später.

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Sag mir, wo die Enten sind

Es kommt der Punkt beim Studieren dieser ULTIMATE HISTORY, dass man erkennt, dass die Disney-Historie (selbst die Donald-Historie) zu umfangreich ist, um zwischen zwei Buchdeckel gepresst werden zu können.

Zwar listet das Werk akribisch alle weiteren Donald-Trickfilme nach dem Zweiten Weltkrieg auf, doch kann diese nur mit ausgewählten Skizzen und Filmplakaten unterfüttern. Da hätte ich den einen oder anderen gern gesehen.

Im Buch nicht möglich, dafür können Sie im Internet auf die Suche gehen nach dem erwähnten „Trick or Treat“ oder Klassikern wie Donalds Premiere in „The Wise Little Hen“ oder Perlen wie dem legendären „Der Fuehrer’s Face“ von 1943.
Da der Upload dieser Filme garantiert nicht legal ist (auch wenn oft in schlechter Qualität bzw. von Raubkopien abgelichtet), kann ich nichts weiter dazu sagen, bloß: Wer suchet, der findet.

Dankbarer für uns sind da zum Beispiel Auszüge aus Disney-Merchandise-Katalogen, die großen Spaß machen und auf griffige Weise demonstrieren, wie omnipräsent (und lukrativ) die Player aus dem „Disneyland“ sind: herrlich verspielte Nachttischlampen, drolliges Blech- und Holzspielzeug, knuffige Knautschfiguren, bunte Taschenlampen, schräge Ganzkörperkostüme, schäbige Klick-Kinos, dicke Sammelbücher, trockene Disney-Kekse, klebrige Formschokolade, gewitzte Grußkarten – und Donald in Person als Markenbotschafter für Toastbrot, Erdnussbutter, Nudeln, Orangensaft sowie (irgendwie am passendsten) Senf.

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Da dies hier eine Webseite für Comics ist, handle ich den Rest des Werks nur kurz ab.

Im hinteren Teil gibt es einen schnellen Abriss über Medienaktivitäten der 1980er-Jahre: Videokassetten und Computerspiele bereichern das Angebot.
Das Jahr 1984 markiert Donalds 50. Geburtstag, unter anderem mit einer letzten Livetournee von Clarence Nash durch 14 Städte in vier Tagen.

Donald in aller Welt

Das vorletzte Kapitel widmet sich der globalen Verbreitung der Ente, auch wenn das nur in Stichproben erfolgen kann,  es würde jeden Rahmen sprengen. Nach dem Tod von Walt Disney sowie dem Eintritt in den Ruhestand von Carl Barks (beide Ereignisse 1966) beginnen Länder wie Italien und Dänemark eine eigene Donald-Produktion.

© 2024 Disney Enterprises, Inc.

Als herausragend neue Figur darf Fantomias genannt werden (erschaffen vom Italiener Marco Rota). Auch in Brasilien, Frankreich, den Niederlanden zeigen sich neue Talente in Barksscher Tradition. Etliche Zeichner führen den Entenhausen-Spirit exzellent fort. Es fallen leider nur kurz die Namen Strobl, Rosa, van Horn, Scarpa, Bottaro, Cavazzano, Milton, Andersen, Heymans und Jippes.
Gut, auch hier wissen die Insider Bescheid, trotzdem: Ich hätte mir auf wenigen Seiten eine „Comics Hall of Fame“ fürs Donald-Zeichnen gewünscht.

Das vorletzte Kapitel erweitert nochmals den Blick auf die globale Fankultur. Wir erleben die Gründung donaldistischer Vereinigungen sowie die Publikation (pseudo-)akademischer Beschreibungen des Entenhausen-Kosmos.

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Zwei Kapitel des Werks widmen sich ausführlich Donalds Auftritt im Zweiten Weltkrieg sowie der Auflistung sämtlicher unproduzierten Filme.
THE ULTIMATE HISTORY beschreibt 55 (!) Skriptideen, die wieder in der Schublade verschwunden sind bzw. Elemente daraus anders verwertet wurden.

Was wir (auf 20 Seiten präsentiert) davon haben sollen, ist mir schleierhaft. Sicherlich interessantes Material für alle Disney-Trickfilmspezialisten, womöglich das, was diesem Werk das Attribut „ultimate“ verleiht. Zwinker.

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Meine Ausgabe von DONALD DUCK: THE ULTIMATE HISTORY ist komplett auf Englisch abgefasst, das liegt jedoch daran, dass die Presse ein internationales Vorabexemplar erhält.

Am 13. November erscheint das Buch auch mit rein deutschem Text!  

Der Verlag merkt an, Herausgeber Daniel Kothenschulte habe sieben Millionen Bilder gesichtet, darunter solche, die sonst nie gezeigt werden dürfen. 300 Bilder davon seien bislang unveröffentlicht.

Sagen wir doch zum Schluss einmal alle gemeinsam: „Happy Birthday, Donald Duck!
Die Ente wird dieses Jahr 90 Jahre alt, da werden auch noch 100 draus. Wetten, dass?!

Hier finden Sie noch den Link zum Webauftritt bei Taschen sowie ein rasches Geblätter zum Gesamteindruck bei mir auf Instagram:

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