Tillmann schaut: STAR TREK – DISCOVERY

Dä, jetzt isses passiert: Die Game-of-Thronisierung der Kultur hat auf STAR TREK übergegriffen! Meint: Sex! Gewalt! Hauptfiguren, die über die Klinge springen!
Die jüngste und (übrigens siebte) Ausformung des Star-Trek-Universums bietet all das und wird deshalb von vielen Fans nicht als „echte“ Trek-Serie akzeptiert.

(Gut, der Sex steht hintenan. In der letzten Folge wird ein ‚Dreier‘ in einem äh … klingonischen Bordell vollzogen, ohne ‚nudity‘, versteht sich. Aber die Protagonistin unterhält die Serie hindurch ein heißes Verhältnis mit einem Crewmitglied.)

Die Gewalt ist enorm, der Bodycount monströs, denn die Staffel schildert einen Krieg zwischen der Föderation und den Klingonen (die sich hinter einem Clown mit dem Namen T’Kuvma scharen). T’Kuvma klingt irgendwie niederländisch, und T’Kuvma ist schon sehr bald tot. Ein erster Hinweis, dass niemand in dieser Serie sicher ist.

Wir folgen der Hauptfigur Michael Burnham (übrigens eine Frau mit Männernamen, dargestellt von Sonequa Martin-Green). Sie ist Erster Offizier unter einer weiteren Frau, Captain Philippa Georgiou (Michelle Yeoh). Beider Schiff, die „Shenzhou“, trifft auf eine klingonische Bedrohung. Über das weitere Vorgehen kommt es zur Meuterei seitens Burnhams und zur kriegerischen Auseinandersetzung mit den Klingonen.

Die charismatische Sonequa Martin-Green als „Michael Burnham“.

 

Ein erster Bruch mit Star-Trek-Regeln und –Gepflogenheiten. Das alles geschieht schon in Folgen 1 und 2. DISCOVERY schubst also nicht nur den Superschurken (sagen Sie es mal laut, es befreit: „T’Kuvma!“) aus dem Bild, es folgen die geliebte Kapitänin sowie das Schiff.

Ab Folge 3 gerät die degradierte und zu lebenslangem Knast verurteilte Burnham auf ein neues Schiff, die titelgebende „Discovery“. Hier laufen unheimliche Geheimexperimente mit einer Art Quantensprung-Antrieb, der das komplette Schiff in jeden Teil des Alls beamen kann. Der dort amtierende Captain Gabriel Lorca (Jason Isaacs) ist ein schneidiger Soldat, der den Krieg mit allen Mitteln gewinnen will.

Jason Isaacs als kerniger Captain Lorca, der auch düstere Geheimnisse birgt!

 

Burnham macht sich als Strategin nützlich und wird zum essenziellen Bestandteil dieser neuen Crew um ihre Zimmergenossin Cadet Tilly, den Sicherheitsoffizier Ash Tyler, den außerirdischen Ersten Offizier Mr. Saru und den genialen Wissenschaftler Paul Stamets.

Eine düstere „Vertraue-niemandem“-Atmosphäre schwebt beständig über DISCOVERY (und die hat ihre Berechtigung!), verstörend, irritierend, das ist in der Tat nicht mehr das Star Trek, wie wir es bisher kannten.
Diese neue Serie ist dreckig, sie ist bitter, sie ist verdammt unterhaltsam.
(Gut, diese neue Serie ist zuweilen auch tüchtig gaga: amoklaufende Sternenflotten-Offiziere, ein Sporen-Antrieb, Transklingonen und eine Hauptspeise auf dem Kapitänsstuhl?)

Die großzügig dimensionierte Brücke der „Discovery“ ist im Winter leider schwer zu heizen.

 

Aber hey, ich bin kein Trekkie. Mir ist es völlig wurscht, was sie für Uniformen anhaben, wie die Klingonen aussehen, und die Sache mit den Zeitlinien hab ich eh nie verstanden.

Sie hauen auf die Kacke bei DISCOVERY.

 

DISCOVERY räumt nicht nur Personal ab, mit dem man noch gerechnet hatte, sondern macht auch handlungslogisch wüste Sprünge. Ich sag nur: Tardigrade. Das Wesen, das erst Killer-Alien ist, dann Kuschelmonster, dann fast Teil der Mannschaft, dann Auswilderungsopfer, hallo?!

Aber so sind die Kreativen bei DISCOVERY: Was die Handlung vorantreibt, wird kurzerhand gemacht. Das ist nicht die schlechteste Strategie, denn so kommt keine Trek-Langeweile auf, an der alle Vorläufer (bei mir zumindest) phasenweise kranken.

Freunde der klingonischen Oper? Nein, Schlachtengesänge für T’Kuvma! Und jetzt alle …

 

O ja, liebe Trekkies, zur Hälfte der ersten Staffel geschieht etwas weiteres Unerhörtes und  Verrücktes: Wir unterbrechen die aktuelle Handlung und springen mit dem Schiff in das Spiegeluniversum!
In dieser aus alten Trek-Serien bekannten (und beliebten) Parallelwelt tragen die Figuren ins Gegenteil verkehrte Charakterzüge, kurz: Sie sind allesamt böse!

Das Spiegeluniversum in DISCOVERY scheint mir jedoch nicht nur dunkler Karneval zu sein wie in vorausgegangenen Trek-Serien, sondern in sich konsistente und wahrhaft beängstigende Vision.
Dort nehmen wir (wieder eine Irritation) eine neue Handlung auf, die sich jedoch am Ende der Staffel mit der ursprünglichen Handlung verquickt und zu einer Auflösung führt.

Böse Buben aus dem Spiegeluniversum haben den Fundus von „Battlestar Galactica“ geplündert.

 

Verraten sei, dass eine Person aus dem ‚bösen Universum‘ mit hinüberkommt in unser Universum – und dass diese Person mit ruchlosen Methoden den Krieg gegen die Klingonen entscheiden wird. (Ich werde hier nicht spoilern, wer diese Person ist, aber sie bedeutet Michael sehr viel und lässt ihre Gefühle kopfstehen.)

DISCOVERY ist auch ganz vorn in Sachen Korrektheit: eine afroamerikanische Frau ist die Hauptfigur, ein Schauspieler pakistanisch-schottischer Abstammung ist ihr Lover, eine malaysisch-chinesische Asiatin ist am Ende der Badass – und es tritt das erste homosexuelle Männerpaar im Trek-Universum auf. Find ich super.
Gibt noch genügend Bioamerikaner: Doug Jones ist der Mann in der Alienmaske, Anthony Rapp der charismatische Wissenschaftler, Mary Wiseman der Comic-Relief-Faktor und Jason Isaacs ist … Engländer. Auch ein Schicksal.

Die warmherzige Kadettin Tilly mit Wissenschaftsgenie Stamets (im Hintergrund, indisponiert) und Schiffsarzt Dr. Culber (der Lebenspartner von Stamets ist).

 

Die Seele der Serie ist allerdings die rotlockige Mary Wiseman als Cadet Tilly. Sie plappert gerne, hat jedoch das Herz auf dem rechten Fleck und ist im richtigen Augenblick mit warmen Ratschlägen und intelligenten Ideen zur Stelle.

Diese Figur darf auch die spärlich gesetzten Gags in DISCOVERY liefern.
(Am schönsten die reflexartig ausgeführte Grußgeste gegenüber der faschistischen Figur aus dem Spiegeluniversum, woraufhin Burnham sie mit einem Einwurf der Art „Das machen wir hier nicht mehrkorrigiert. Eine kleine, zauberhafte Miniatur, deren helles Aufleuchten leider auch zeigt, wie grimmig und humorlos die Serie ansonsten ist.)

Also: DISCOVERY mag kein Star Trek sein. Ist mir egal.
Ich lade dazu ein, es als actiongeladene Science-Fiction-Abenteuerserie für sich zu betrachten (Humor ist hier vom Konzept her nicht vorgesehen). Es braucht kein Vorwissen, kein Fan-Verständnis. Die Macher servieren uns eine knallige, bunte, geil aussehende, rasante, wendungsreiche Show.

Auch das scheint mir neu für Star Trek: DISCOVERY schickt seine Figuren durch die Hölle – und die, die überleben, kehren glaubhaft gereift daraus zurück.
Ich bin heiß auf Staffel 2.

(Im Folgenden noch der Trailer zu Staffel 1, der aber fast nur Szenen aus den ersten beiden Folgen zeigt und damit nicht wirklich repräsentativ ist …)