Tillmann schaut:  Grace & Frankie

Eigentlich möchte ich nicht die Prämisse dieser wunderbaren „Dramedy“-Serie (Drama trifft Comedy) verraten, aber es ist die erste Szene der ersten Folge der ersten Staffel – also heraus damit: Zwei alte Paare treffen sich im Restaurant zum Dinner.

Die Frauen glauben, die Herren werden ihren Ruhestand ankündigen, doch es kommt anders: Robert und Sol gestehen Grace und Frankie, dass ihre Ehen am Ende sind. Die beiden outen sich als schwules Paar (seit 20 heimlichen Jahren!) und wollen bald heiraten.

Roberts Frau Grace und Sols Frau Frankie fallen aus allen Wolken.
Wie das verkraften? Wie das den Kindern beibringen (Robert und Grace haben zwei Töchter; Sol und Frankie zwei Adoptivsöhne)? Was werden die Leute sagen? Wo soll man fortan überhaupt wohnen?

Lange Gesichter im Fahrstuhl: Robert, Sol, Frankie, Grace.

 

Letztere Frage beantwortet sich rasch: Grace und Frankie ziehen sich in das gemeinsame Strandhaus ihrer Männer zurück (das ihnen wahrscheinlich lange Jahre als Liebesnest diente) und gehen eine hassliebige Zwangsfreundschaft ein.

Denn Grace und Frankie könnten unterschiedlicher nicht sein. Grace ist die aufgetakelte, fitnessgestählte, trunksüchtige und hungerleidende Dame. Frankie die umweltbewegte, drogenaffine, phobische und künstlerische Schamanin.

Zusammen gehen sie auf eine „Flucht in Ketten“ aus der Ehehölle und erkämpfen sich ein neues Leben. Die Netflix-Serie GRACE & FRANKIE springt von Episode zu Episode in großzügigen, aber nicht näher definierten Zeitabständen. Es scheinen teilweise Wochen dazwischen zu vergehen, die Handlungen konzentrieren sich auf neuralgische Ereignisse wie ein Familientreffen, ein Erdbeben oder den Entzug der ehelichen Kreditkarten.

Die Titelfiguren: Frankie (Lily Tomlin) und Grace (Jane Fonda).

 

Die beiden Paare werden von vier fabelhaften Darstellern verkörpert, die einem das Herz aufgehen lassen.

Jane Fonda ist Grace und sich nicht zu schade oder fein, auch mal klapprig oder doof oder biestig zu spielen.

Lily Tomlin ist Frankie, die eine herrliche Abgeklärt- und Frechheit mit ulkigen An- und Ausfällen kombiniert.

Martin Sheen ist Robert und hat die Zügel so stoisch und souverän im Griff, wie er es schon als US-Präsident in THE WEST WING hatte.

Sam Waterston ist Sol, der eine kauzige Sensibilität zur Schau stellt, changierend zwischen Nervosität und grenzenloser Empathie.

Die abtrünnigen Ehemänner: Robert (Martin Sheen) und Sol (Sam Waterston).

 

GRACE & FRANKIE beweist, dass eine clevere Prämisse und eine konfliktreiche Personenkonstellation weiterhin der Motor einer erfolgreichen Erzählung sind.

Zugleich ist diese Serie ein „Angebot für Senioren“, das man auch als jüngerer Zuschauer nicht ablehnen sollte.

GRACE & FRANKIE ist nicht ‚haha funny‘, aber eine intelligente, treffende Satire der gealterten US-Westküsten-Elite. Wo sieht man das schon mal?

Serienentwicklerin Marta Kauffman übrigens ist keine Unbekannte, sondern schuf 1994 die vielleicht ikonischste Sitcom aller Zeiten: FRIENDS.
Produzent Howard J. Morris kennt man von HÖR MAL, WER DA HÄMMERT.

Im Netz zu sehen: Trailer für Staffel 1, sehr hübsch aufbereitet:

 

(Scheeiiiße, grad mal nachgeschaut: Jane Fonda ist inzwischen 81 Jahre alt; haben sich die Aerobics doch gelohnt. Und dass Lily Tomlin auch schon 79 ist, sieht man ihr ebenfalls nicht an. Sam Waterston ist 78, genau wie Martin Sheen. Alle zusammen gehen bereits in die sechste Staffel!)