THE WEST WING (1999 – 2006) – US-Serie

Ein harter Brocken für Insider, aber immer noch meine Lieblingsserie

Dämmrige Arbeitszimmer, düstere Flure, Nacht über Washington. Vorhang auf für die größte Polit-Show auf Erden: die US-Regierung bei der Arbeit. Und wir dürfen Mäuschen spielen in den Büros, im Oval Office, bei Pressekonferenzen, bei Mauschelrunden im Hinterzimmer.
Wir erleben Intrigen, Gegenintrigen, Gerüchteküche, Planungen, Medienmanipulationen, taktische Manöver und offenen Schlagabtausch. Jede Folge ist klassisch gestrickt (Kopf hinter allem: Aaron Sorkin) nach Haupt- und Nebenhandlungen, ernste und absurde Themen gut abgemischt.
Da geht es um den Kaschmir-Konflikt, arabischen Terrorismus, AIDS in Afrika, Neuwahlen, ein Impeachment-Verfahren, Weltraumabwehrsysteme, Christenverfolgung in China – aber auch um durchgeknallte Botschafter, Goldfische, die Abschaffung der 1-Cent-Münze, Familienkräche, das perfekte Käsemesser und wie man eine Steuererklärung ausfüllt.
Im Vordergrund stehen die Charaktere: Frauen und Männer, die aus ihren Büros und Besprechungen kaum jemals rauskommen, ohne nennenswertes Privatleben, aber mit Hingabe an ihren Job.
Der altgediente Stabschef Leo, der grüblerische Chefideologe Toby, die penetrante Sekretärin Donna, der sprunghafte Spindoctor Josh, der smarte Redenschreiber Sam, die kesse Pressesprecherin Claudia Jean, der bodenständige Assistent Charlie und eine Handvoll markanter Nebenfiguren werden schon bald zur liebgewonnenen Fernsehfamilie.
Deren Oberhaupt ist ein brummeliger, fiktiver demokratischer Präsident mit dunklen Geheimnissen (gespielt von Martin Sheen), der im rechten Moment dann aber doch die menschliche Seite rauskehrt.
Allein diesen Typen, diesen Darstellern beim Abfeuern ihrer präzisen Reden zuzuhören ist zum Niederknien.

Der Empfehlung folgt die Warnung: WEST WING ist zwar englisch untertitelt, doch selbst das hilft kaum! Die Dialoge sind so rasant, die Sprache ist so ein politisches Fachchinesisch, dass selbst Amerikaner (meine Einschätzung) nur die Hälfte verstehen.

Ja, WEST WING überfordert den Zuschauer, und das ist mal eine ganz neue Perspektive.

Aber man muss hier auch nicht alles verstehen. Darsteller und Atmosphäre tragen genug, dass man einfach großes Kino genießen kann.

WEST WING wird zur Zeit ins Deutsche synchronisiert, was mir großen Respekt abringt. Denn die Dialoge scheinen mir in ihrer Gänze schwer übersetzbar. Aber immer noch besser, als es auf deutsch nachzuinszenieren. Ein deutscher Versuch hieß „Das Kanzleramt“ – wer’s gesehen hat: es kommt nicht annähernd an sein Vorbild heran…